Die Reportage: Die Armenambulanz

Die Reportage: Die Armenambulanz

Armut macht krank und Krankheit macht arm: Gegen diese bittere Erkenntnis kämpft Gerhard Trabert seit nunmehr fast 20 Jahren. Er ist Arzt und versorgt in Mainz Menschen, die den Weg in eine 'normale' Praxis nicht mehr finden. Viele seiner Patienten sind obdachlos, leben auf der Straße. Doch immer öfter sind es auch Menschen, die nicht oder nicht mehr krankenversichert sind: Selbstständige, deren Unternehmen pleite gegangen ist, Billiglohnarbeiter aus dem Ausland oder Menschen, die einfach ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen können. Ernst S. ist einer von ihnen. Seit ein paar Wochen leidet er unter einer gefährlichen gelben Hautfärbung. Den Arztbesuch hat er lange hinausgezögert, weil er schon seit Jahren nicht mehr versichert ist, wie er sagt. Die Armut sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an: Er trägt ein gebügeltes Hemd und ordentliche Schuhe, hat einen festen Händedruck. Ernst S. war selbstständiger Geschäftsführer, bis er durch einen Unfall arbeitsunfähig wurde. Und jetzt hat er diese Gelbsucht bekommen. Gerhard Trabert weist den Patienten sofort in ein Krankenhaus ein. Wer die Kosten für die Behandlung übernimmt, sei erst einmal zweitrangig, sagt der Arzt. Und: 'Wenn eine Gesellschaft Banken rettet, aber nicht mehr Menschen, dann läuft etwas grundlegend falsch.' Dabei ist Ernst S. kein Einzelfall. Laut amtlicher Statistik sind etwa 140.000 Menschen in Deutschland nicht krankenversichert. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen; Gerhard Trabert, der auch eine Professur für Sozialmedizin inne hat, schätzt, dass eine halbe Million Menschen nicht mehr versichert ist. Auch aus diesem Grund hat er in Mainz eine Poliklinik eröffnet, eine medizinische Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung. Fachärzte, die hier ehrenamtlich arbeiten, bieten ihre Hilfe an. Darunter sind ein Chirurg, ein Zahnarzt, ein Gynäkologe und ein Neurologe. Die Filmautorin Katrin Wegner hat den Mainzer Arzt einige Wochen lang bei seiner Arbeit in Tiefgaragen, Obdachlosenheimen und in der neuen 'Armenambulanz' begleitet.

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