Die Briten und Europa. Szenen einer schwierigen Beziehung
Am 23. Juni 2016 werden die Briten in einem Referendum darüber entscheiden, ob sie weiter zur EU gehören wollen oder nicht - der vorläufige Höhepunkt einer langen Hassliebe zwischen Großbritannien und Europa. In den Wettbüros zwischen Brighton und Glasgow werden inzwischen hohe Summen auf den Ausgang des Referendums gesetzt. Dabei ist es bereits das zweite Referendum zu diesem Thema - das erste fand 1975 statt, ganze zwei Jahre, nachdem die Briten der EWG, dem Vorläufer der EU, beigetreten waren...
Seit jeher zeigen die Briten ein grundlegendes Misstrauen gegenüber allem, was vom Festland - "the Continent" - kommt. Die Briten und Europa - das war eine schwierige Beziehung von Anfang an. Für Groß-Britannien ist nämlich keinesfalls geklärt, ob ihr Land wirklich zu Europa gehört oder ob die Briten auf ihrer Insel nur Nachbarn Europas sind. "Wir stehen zu Europa, gehören aber nicht dazu, wir sind verbunden, aber nicht umfasst, wir sind interessiert und assoziiert, aber nicht absorbiert." Churchills Definition ist für viele Briten bis heute schlüssig.
Warum nur sind sie so anders? Wir Kontinentaleuropäer haben unsere vorgefertigten Meinungen über das Land jenseits des Kanals: mieses Wetter, schlechtes Essen, warmes Bier. Gleichzeitig kamen jedoch immer wieder bahnbrechende Impulse von den Briten zu uns auf den Kontinent: die industrielle Revolution, Popmusik, Mode. Wir hegen eine heimliche Bewunderung für dieses Land, das beides zugleich ist: rückständig und modern, altmodisch und avantgardistisch.
Splendid Isolation - vom Meer umgeben und Europa vorgelagert war Groß-Britannien nie gezwungen, wie die Kontinentaleuropäer mit zahllosen angrenzenden Nachbarländern einen Interessenausgleich zu finden, sich anzupassen. Eine romantische Sehnsucht nach einem einigen, friedlichen Europa hat sich in Großbritannien denn auch nie entwickelt. David Cameron brachte es 2013 auf den Punkt: "Europa ist für die Briten eine praktische und keine emotionale Angelegenheit." - So ist die Inselnation noch immer das Problemkind der europäischen Integration - eigenwillig, störrisch, unbelehrbar. Als einstige Kolonial- und Weltmacht ist Großbritannien gewohnt, den Ton anzugeben und nicht, sich ein- geschweige denn unterzuordnen: "Die Engländer sehen es als einen Affront gegen Gott und die Natur an, von Ausländern beherrscht zu werden", brachte es George Orwell auf den Punkt. Von einem europäischen Superstaat geschluckt zu werden - ein britischer Alptraum.
Doch als Groß-Britannien um Aufnahme in die EWG ersuchte, wurde es zunächst von Frankreich zurückgewiesen. Was für ein Affront! Die europäisch-britische Beziehung: eine nicht enden wollende Kette von Rangeleien, Missverständnissen und enttäuschten Hoffnungen - von Beginn an. Immer wieder irritierten die Briten im Laufe dieser Beziehungsgeschichte mit Extrawürsten und Sonderwegen ihre europäischen Partner.
Experten, wie der berühmte britische Historiker Timothy Garton Ash und der London-Korrespondent Thomas Kielinger erklären die historischen Hintergründe der britischen Europaskepsis. Britische und deutsche Journalisten und Comedians berichten von ihren Erfahrungen mit Klischees und Vorurteilen.
Eine augenzwinkernde Zeitreise in ein ebenso problematisches wie amüsantes Kapitel europäischer Geschichte - voller Sehnsucht und Stolz, voll unerwiderter Liebe und bitterer Zurückweisung.