Deutschland filmt!

Deutschland filmt!

Der Patriarch trug eine Serviette um den Hals und fand sichtliches Vergnügen am Zerlegen des Weihnachtsputers. Der Tisch war festlich gedeckt. Die Kinder, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, beobachteten ihren Vater: Weihnachten bei Familie Millowitsch. Normalerweise filmte Vater Willy selbst. Doch wenn es um den Puter ging, wurden andere Prioritäten gesetzt - Ein ordentlicher Hauch von Nostalgie weht durch die Amateuraufnahmen aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Heute, beim Betrachten der Filme, kann man den Geist der noch jungen Bundesrepublik hautnah miterleben. Urlaube und Familienfeiern waren die Hauptanlässe: kein Weihnachten, Ostern, Karneval, keine Hochzeit und auch kein Kindergeburtstag, der nicht auf 8 mm festgehalten wurde. Für Karl Maria Heidegger aus Bingen am Rhein haben die 16-mm-Familienfilme noch eine besondere Bedeutung. Bei seiner Flucht aus Schlesien konnten die Rollen in einem kleinen Koffer gerettet werden. Seine ehemalige 'Heimat' bleibt ihm auf den wackligen Schwarz-Weiß-Bildern für immer erhalten. Auch bei Familie Falke im Sauerland hielt man sämtliche Festtage mit der Kamera fest. Franz Otto Falke, ehemaliger Chef des gleichnamigen Familienunternehmens, hatte seine erste Kamera kurz nach dem Krieg gegen einen Sack Strümpfe getauscht. Sehr schnell wechselte er - der Qualität zuliebe - zu 16mm. In seinen Filmen erzählt der Unternehmer immer auch ein Stück Schmallenberger Ortsgeschichte. Keine Frage, dass die alljährlichen Karnevals- und Schützenfeste nicht fehlen durften. Der passende Stimmungsmacher zu solchen Festen: ein 'Pils mit einem Schuss Sekt'. 'Das hatte den Vorteil, dass einem das gut bekam und gute Laune machte. Denn, wenn die Leute sonst viele Schnäpse tranken, wurden sie aggressiv.' Im Osten, in der Nähe von Berlin, gab es meistens Bier zu trinken.

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