Der Knast-Entscheider

Der Knast-Entscheider

Clemens Becker, 62 Jahre, ist Haftrichter am Frankfurter Amtsgericht. Er kokettiert schon mal mit seinem Vornamen, der aus dem Lateinischen kommt und 'der Sanfte', 'der Gnädige' bedeutet. Jetzt aber ist Clemens Becker nicht sanft sondern sauer: 'Nun hören Sie mir mal genau zu: Wenn ich Sie das nächste Mal hier vorgeführt bekomme, sperre ich Sie ein. Können Sie sich hinter die Ohren schreiben! Ich hab' da keinen Spaß dran, aber wenn Sie nicht aufhören zu klauen, haben Sie keine Chance.' Müde und kleinlaut lässt der Junkie, den die Polizei wiederholt beim Stehlen erwischt hat, die Standpauke des Haftrichters über sich ergehen: 'Ich gebe ich Ihnen da vollkommen Recht.' Der Mann leidet unter Entzugserscheinungen und will nur noch raus. Der Richter legt noch mal nach: 'Machen Sie was draus! Sie sind wirklich nicht so interessant, dass ich Sie als Dauergast hier haben möchte.' Dann ist der Junkie entlassen. Bis zu seiner Gerichtsverhandlung ist er auf freiem Fuß, muss nicht in U-Haft. Seit 21 Jahren ist Clemens Becker als Haftrichter in Frankfurt tätig. Innerhalb kürzester Zeit entscheidet er nach Aktenlage und Anhörung der Beschuldigten, ob der sofortige Freiheitsentzug, so wie vom Staatsanwalt beantragt, angemessen ist. Rein oder nicht rein - das ist dann die Frage. Wobei Untersuchungshaft keine Strafe darstellt sondern nur sicher stellen soll, dass ein ordentliches Gerichtsverfahren auch tatsächlich stattfinden kann. Es ist ein Kammerspiel, das sich auf wenigen Quadratmetern abspielt: Mal laut, mal leise, mal zerknirscht, mal frech treten die Beschuldigten vor den Haftrichter. Es ist der Moment, in dem Ersttäter zusammenbrechen, weil sie den roten Haftbefehl ausgehändigt bekommen und ins Untersuchungsgefängnis müssen; der Moment, in dem Wiederholungstäter ihre ganze Erfahrung im Umgang mit der Justiz anzubringen versuchen: 'Herr Richter, Sie schicken mich jetzt in U-Haft, aber wo bleibt denn da die Resozialisierung!?' Haftrichter wie Clemens Becker stehen immer wieder in der Kritik. Die einen finden: Sie sind zu lasch, zu nachsichtig.

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