Der Klang der Freiheit - Neue Glocken für St. Nikolai
Sie ist die größte und mit über 850 Jahren die älteste Kirche in der Messestadt Leipzig. Dazu ist sie neben der Thomaskirche einer der wichtigsten Touristenmagnete der Stadt und eines der berühmtesten Gotteshäuser in Deutschland: Die Nikolaikirche verkörpert mit den Friedensgebeten der 80er Jahre das Ende der DDR, den Aufbruch und die Friedliche Revolution, welche das heutige Deutschland erst ermöglicht hat.
2019 steht die Nikolaikirche aus verschiedenen Gründen ganz besonders im Fokus. Nach über 100 Jahren wird eine klaffende Lücke in diesem Leipziger Urgestein geschlossen. Statt der bisher vorhandenen drei Glocken erhält die Kirche ein neues Geläut mit acht Glocken, darunter die große fast sieben Tonnen schwere Osanna. Ihre Vorgängerin wurde 1917 zu Kriegszwecken aus einem der beiden Doppeltürme geholt und für den Kanonenbau eingeschmolzen.
Die MDR-Doku begleitet den Prozess der Entstehung der Glocken, ihre Planung, Fertigung und die schwierige Montage im Zentrum von Leipzig. Erzählt wird auch die traditionsreiche Geschichte der Glockengießereien im thüringischen Apolda. Dort wurden über 150 Jahre lange viele zehntausende Glocken hergestellt, die in die ganze Welt exportiert wurden, vor allem aber auch in die mitteldeutsche Region. In der Leipziger Nikolaikirche stammen die drei Bestandsglocken aus Apolda, die restlichen fünf neuen wurden in Baden-Württemberg gegossen.
Doch nicht nur das über 600.000 Euro teure Glockenprojekt ist ein Highlight in diesem Jahr. Den 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution greift der Film ebenso auf, indem er bislang wenig bekannte Teilnehmer der Ereignisse von 1989 in spannenden Episoden noch einmal ihren Anteil am "Wunder von Leipzig" erzählen lässt. Etwa den westdeutschen Fotografen Armin Wiech, der am 4. September 1989 entscheidende Aufnahmen macht, als auf dem Nikolaikirchhof Stasi Mitarbeiter auf brutale Art Protestierenden die Transparente entreißen. Diese heute ikonischen Aufnahmen gehen damals um die Welt. Der Film schildert ihre Entstehungsgeschichte minutiös.
Oder Thomas Hauf, der als angestellter Tontechniker im Leipziger Rathaus am 9. Oktober 1989 heimlich die Reden des damaligen Oberbürgermeisters und seiner Genossen mitschneidet. Diese hatten den verzweifelten Plan, die Nikolaikirche zu den Friedensgebeten mit linientreuen Genossen zu "besetzen", um die Geschehnisse doch noch in den Griff zu bekommen. Und bekannte Bürgerrechtler von damals wie Gesine Oltmanns oder Mitglieder der Jungen Gemeinde wie der heutige Nikolaiküster Matthias Müller reflektieren noch einmal ihren mutigen Einsatz von 1989 - aber auch die Bedeutung, welche die Nikolaikirche in heutigen, politisch unruhigen und herausfordernden Zeiten haben kann und soll.