Der Fall Susanne Albrecht
Am 30. Juli 1977 verschafft sich Susanne Albrecht, in Begleitung von zwei RAF-Terroristen, Zutritt zum Haus von Jürgen Ponto, dem Chef der Dresdner Bank. Er war ihr gut bekannt. Jürgen Ponto war ein Freund der Familie, der Patenonkel ihrer Schwester. Das Ziel: Ponto soll entführt werden, um die Top-Leute der RAF aus dem Gefängnis freizupressen. Der Plan scheitert grandios: Jürgen Ponto wird von Christian Klar erschossen. Der Film zeigt, wie es zu dem Verrat kommen konnte - und wie diese Entscheidung das Leben von Susanne Albrecht geprägt hat. Bis heute. Hochaktuell, auch mit Blick auf heutige Terroristen, sind die Passagen, in denen die Filmautoren eingangs die allmähliche Radikalisierung Albrechts nachzeichnen, die in der Hamburger Hausbesetzerszene Anfang der 70er Jahre beginnt. Akribisch rekonstruiert die Koproduktion von ZDFinfo und phoenix die Phase im Leben der gebürtigen Hamburgerin, die sie zu dem unbeschreiblichen Verrat an dem langjährigen Familienfreund führt. Ein kleiner Kreis von RAF-Terroristen setzt die damals 26-jährige Albrecht im Sommer 1977 massiv unter Druck, die Türöffnerin für die geplante Gewalttat zu spielen. Dr. Nahlah Saimeh, forensische Psychiaterin und Expertin für Extremismus und Terrorismus, erläutert im Film, wie und warum solche Radikalisierungsprozesse ablaufen. Neue Zeitzeugen präsentiert die Dokumentation auch zu Susanne Albrechts Leben auf der Flucht, während der sie mit Hilfe der ostdeutschen Stasi unter neuem Namen zunächst ab 1980 in der DDR und später in der Sowjetunion untertauchte. Darunter Barbara Dörr, die Albrecht als Arbeitskollegin an einer DDR-Ingenieurhochschule erlebte. Als Barbara Dörr und andere Kolleginnen Albrecht 1986 in einem Fernsehbericht über die RAF wiedererkennen, muss die Aussteigerin weiter fliehen. Die Stasi versteckt Albrecht und ihre Familie in der Sowjetunion, nördlich von Moskau. Auch dahin führt die Dokumentation den Zuschauer, gemeinsam mit dem Physiker Peter Michel, der auf einer Spurensuche zeigt, wo die RAF-Terroristin seit 1988 in der russischen Stadt Dubna abgetaucht war und seine Nachbarin wurde. Während deutsche Sicherheitsbehörden die Terroristin lange Zeit im Nahen Osten vermuteten, verhalf die Stasi Albrecht hier zu einer neuen Identität als Chemielaborantin an einem sowjetischen Kernforschungszentrum. Albrecht hatte einen DDR-Physiker geheiratet, mit ihm einen Sohn bekommen. Doch ihre neue Familie erfährt erst nach ihrer Verhaftung in Berlin im Juni 1990 die ganze Wahrheit über Albrechts Vergangenheit als Terroristin. Die Dokumentation "Der Fall Susanne Albrecht" präsentiert neues Foto- und Filmmaterial aus jenen Jahren, als die RAF-Terroristin ganz oben auf den Fahndungsplakaten prangte. Entscheidende Szenen aus jener Zeit haben die Filmautoren auf Grundlage von Prozessunterlagen und Stasi-Dokumenten mittels grafischer Szenarien faktengetreu rekonstruiert. Ein Film über einen furchtbaren Verrat und den verzweifelten Versuch, der eigenen Verantwortung zu entkommen.