Der Fall Niels Högel

Ein Mord ist schon eine schwere Straftat. Aber 200 Morde - verübt von einem Krankenpfleger? Kaum vorstellbar. Was ist das für ein Mensch, der so kaltblütig handelt? Und warum ist dies keinem seiner KollegInnen im Krankenhaus aufgefallen?

Nils Högel sieht nicht aus wie ein Massenmörder. Als wir ihn im Gefängnis in Oldenburg trafen, hatte er 30 Morde gestanden. Er habe damals auf der Intensivstation des Krankenhauses Delmenhorst gar nicht töten wollen, sagte er uns im Interview. Er habe sich nur als großartiger Pfleger und Retter beweisen wollen. Den Patienten spritzte er ein Medikament, das zu Herzversagen führte - dann reanimierte er sie.
Nach der Exhumierung von Leichen zeigt sich zwei Jahre später: Das ist nicht wahr. Er hat massenhaft per Injektion getötet - einfach so. Aus Mordlust?

Für drei Morde und zwei Mordversuche wurde Högel zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg untersucht inzwischen mehr als 200 Todesfälle. Einen Teil davon auch bei Högels vorherigem Arbeitgeber, dem Klinikum Oldenburg. Nun hat Nils Höger weitere Morde gestanden. Aber warum wurden sie weder von seinen KollegInnen noch seinen Vorgesetzten bemerkt - obwohl die Sterberate während seiner Dienstzeiten extrem hoch war? Hat man lieber nichts geahnt - und einfach weggeschaut?

Dass erst jetzt umfassend ermittelt wird, zeigt auch das Versagen der Justiz. Denn die Taten liegen nun über 10 Jahre zurück. Die Medien bezeichnen Niels Högel als größten Massenmörder seit dem zweiten Weltkrieg. In dieser Dimension ein trauriger Einzelfall. Aber immer wieder töten Krankenschwestern und Pfleger PatientInnen. Und immer wieder berichten KollegInnen erst im Nachhinein von einem mulmigen Gefühl, dass sie hatten - und dem sie nicht nachgegangen sind.
"die story" fragt: Warum schauten alle weg? Ist das System Krankenhaus und die steigende Arbeitsverdichtung mitverantwortlich dafür, dass Morde nicht auffallen? Und wie könnten Kliniken und Pflegekräfte sich vor Mördern in ihren Reihen schützen?