Der ewige Antisemit

Der ewige Antisemit

"Der ewige Antisemit" ist ein Road-Movie, eine intensive, schöne, nachdenkliche und melancholische Reise. Auch Hamed Abdel-Samad und Henryk M. Broder verbindet eine wunderbare Freundschaft seitdem sie vor fünf Jahren gemeinsam für die Doku-Reihe "Entweder Broder" kreuz und quer durch Europa fuhren. Inzwischen wurde Hamed von den Muslimbrüdern mit einer Fatwa belegt, weil er von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf eine Auszeichnung annahm. Seitdem braucht er rund um die Uhr Personenschutz.

Henryk, Leon, Hamed und ihr chauffierender Produzent Joe Schroeder fahren in wechselnden Konstellationen nach Dresden, Paris, Naumburg, Hildesheim, München und Malmö, um herauszufinden, was die Ereignisse der letzten Jahre für die Juden, die noch in Europa leben, bedeuten.

Im Marais, dem alten jüdischen Viertel von Paris, leben nur noch wenige Juden. Seit dem Anschlag 2015 auf das Konzerthaus Bataclan dominieren nicht nur Touristen das Straßenbild, sondern auch schwer bewaffnete Einheiten der Armee. Henryk besucht die wenigen jüdischen Cafés und trifft unter anderen Alain Korcarz, der Frankreich trotz allem nicht verlassen will: "Mein Herz schlägt in Tel Aviv, aber Paris ist meine Heimat." In den Cafés rund um die Rue des Rosiers kann Henryk noch mit einigen Gästen Jiddisch sprechen. Und im Café der Psalmen, in dem die alten Maraisaner noch unter sich sind, lauscht Henryk den Erinnerungen der "Absolventen der Hochschulen von Auschwitz, Bergen-Belsen und Ravensbrück". Leon de Winter prophezeit seinem Freund Henryk, dass "wir vermutlich die letzte Generation in Europa sind, die jiddische Kultur noch erlebt".

Zurück in Deutschland trifft Henryk in Hildesheim eine Hochschulpräsidentin, die eine ihrer Lehrkräfte nur als "naiv" bezeichnet, nachdem diese 14 Jahre lang anti-israelisches Propagandamaterial in ihrem Seminar verteilte. In München besucht Henryk mit seinem Freund Hamed den Wirt eines jüdischen Restaurants, der sein zweites Lokal schließt, weil er es satt hatte, von deutschen Besuchern immer wieder beschuldigt zu werden: "Du nimmst den Arabern die Küche weg." Und in Naumburg treffen sie Hans Püschel, der nach der Wende die SPD mitgründete, um dann zur NPD überzutreten und als Holocaustleugner aufzutreten.

In Schweden treffen sie den Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Malmö. In seiner Synagoge sind die Scheiben aus Panzerglas. Der Lehrer einer Malmöer Grundschule erzählt, dass seine 6 - bis 12-jährigen Schüler, deren Eltern vor ein paar Jahren nach Schweden kamen, ihre Konflikte aus ihrem Land mitbrachten. Er wird als "Drecksjude" beschimpft und von Elfjährigen manchmal mit dem Hitlergruß empfangen. Von den 320.000 Einwohnern der Stadt Malmö sind 128.000 Migranten.

Auf ihrer 5.000 Kilometer langen Reise diskutieren die Freunde in "Der ewige Antisemit" klug und witzig, wütend und resigniert, melancholisch und erschüttert über die ewige Frage nach dem Ursprung des Antisemitismus, des Antizionismus, warum ausgerechnet die progressive Linke Ende der 60er-Jahre sich gegen Israel richtete und inwiefern die Zuwanderung aus muslimischen Ländern heute eine Rolle spielt. Trotz allem, so Henryk M. Broder ironisch: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

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