Der doppelte Kirchner

Der doppelte Kirchner

Die doppelt bemalten Leinwände des Künstlers Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) sind ein Kuriosum der modernen Kunstgeschichte. Faszinierend ist nicht nur, dass die Leinwände jeweils auf der Vorder- und Rückseite bemalt wurden, sondern dass diese Bilder sogar oft im Abstand von mehreren Jahrzehnten entstanden. Etwa 130 Gemälde zeigen auf ein und derselben Leinwand das Werk eines Künstlers in verblüffender Vielfalt und Gegensätzlichkeit. Auf der Vorderseite zum Beispiel Motive zu den Themen Bohème und Varieté, kühne Akte und urbane Impressionen aus seiner Berliner Zeit, auf der Rückseite sind dagegen häufig Landschaften und Interieurs aus seiner Spätzeit in Davos zu sehen. Aber auf welcher Seite der Leinwand befindet sich das Hauptwerk? Wer legt fest, welches der beiden Bilder das unbedeutendere Werk darstellt? Kirchner hatte seine eigenen Ansichten darüber und hat dies auch selbst festgelegt. Der heutige Kunstmarkt aber - Käufer und Sammler - bestimmen nun neu, welches das ausschlaggebende Bild ist, das potenzielle Kunden als 'Wertvolleres' zum Kauf reizt. Barbara Dickenberger spürt in ihrer Dokumentation der Entstehung der Bilder nach und sucht hinter ihnen auch die beiden Seiten des Künstlers, der im Umbruch der Zeiten viele Zerreißproben durchlitten hat, von den Nazis als entarteter Künstler verboten wurde und seinem Leben im Alter von 58 Jahren ein Ende setzte.

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