Der Austausch

Der Austausch

Berlin-Zehlendorf, 27. Februar 1975: ein Politiker auf dem täglichen Weg ins Büro.

Doch seine Fahrt endet abrupt um 8.57 Uhr auf dem Quermatenweg, Ecke Ithweg. Während ein Lastwagen die Straße versperrt, rammt ein roter Fiat den schwarzen Dienst-Mercedes von hinten - alles geschieht blitzschnell. So beginnt die erste und einzige Politiker-Entführung in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ihr Opfer ist Peter Lorenz, Vorsitzender der Berliner CDU. Der Zeitpunkt ist kein Zufall, es sind nur noch wenige Tage bis zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses - Lorenz ist Spitzenkandidat. Dem Zufall überlassen die Entführer auch sonst nichts, auf dem Weg durch die Stadt hinterlassen sie kaum Spuren. Am nächsten Tag erhält die dpa ein Foto des Entführten: Um seinen Hals hängt ein Pappschild: 'Peter Lorenz - Gefangener der Bewegung 2. Juni'. Zugleich stellen die linken Terroristen ihre Forderungen. Sie verlangen einen Austausch: Das Leben des Politikers gegen die Freiheit von sechs inhaftierten Genossen.

Die Kidnapper setzen dem Staat ein Ultimatum.

Ist der Staat erpressbar? Darf er Gewalttäter freilassen, um ein Menschenleben zu retten? Krisenstäbe tagen, Bundeskanzler Helmut Schmidt schaltet sich ein, obwohl er 40 Grad Fieber hat. Schließlich werden die Häftlinge, begleitet vom ehemaligen Regierenden Bürgermeister, Pfarrer Heinrich Albertz, ausgeflogen. Die Entführer halten Wort und lassen Lorenz unverletzt frei. Eine solche Entscheidung, einen solchen Ablauf wird es nie wieder geben.

Der Staat wird den folgenden terroristischen Erpressungsversuchen - von Stockholm bis Schleyer - nicht mehr nachgeben. Auch weil 1975 freigelassene Terroristen später morden. Der 'Krieg' wird immer blutiger.

Im Gegensatz zur Schleyer-Entführung, die im 'Jubiläums-Jahr' 1997 mit einer großen Zahl von Dokumentationen, Bucherscheinungen, Leitartikeln begleitet wurde, blieb der Fall Lorenz publizistisch und filmisch weitgehend unbearbeitet.

Dem Film 'Der Austausch' gingen zweijährige Recherchen voraus - mit brisanten und bizarren Ergebnissen.

In der Öffentlichkeit bisher unbekannt: Der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl bot sich als Garantie-Geisel an. Bei der geplanten Landung in Addis Abeba hätte es zur Erschießung der Freigepressten kommen können. Um den Terroristen auf die Spur zu kommen, engagierte die Berliner Polizei sogar einen Hellseher.

Jetzt, nach 25 Jahren, erzählen damals Beteiligte - zum Teil erstmals vor einer Kamera - von der Entführung aus ihrer Sicht: u. a. Altbundeskanzler Helmut Schmidt , der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Schütz , Hans Jochen Vogel , Nils Nilsen . Seitens der Entführer der 'Bewegung 2. Juni': Ralf Reinders, Ronald Fritzsch, Till Meyer und Gabriele Rollnik.

'Der Austausch' verzichtet bewusst auf einen Kommentar, ist eine Collage aus Interviews und z. T. bisher unveröffentlichtem Archivmaterial. Er zeigt ein spannendes, unerzähltes Stück bundesrepublikanischer Nachkriegsgeschichte - vor dem 'Deutschen Herbst'.

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