Claudio Monteverdi: "Marienvesper" im Dom zu Worms
Claudio Monteverdis "Vespro della Beata Vergine", einst wohl nur wenigen Spezialisten bekannt, ist heute fest im musikalischen Bildungskanon verankert und bleibt bei aller Popularität doch ein rätselhaftes Werk: Es bürdet der Wissenschaft wie auch denen, die das Stück spielen wollen, schier unlösbare Rätsel auf. Wer heute die "Marienvesper" aufführt, muss sich entscheiden, ob er sie als Konzertstück oder als liturgische Feier verstehen möchte.
Die Aufführung in einer Kirche spricht dafür, dieser Musik ihre liturgische Herkunft zurückzugeben. La fonte musica hat sich daher für eine liturgienahe Interpretation entschieden und die Marianischen Antiphonen der Marienfeste ausgewählt - "Laeva eius" und "Quae est ista" etwa gehören zum Tag der Himmelfahrt Mariens am 15. August, andere eignen sich für alle Marienfeste. Die geringstimmigen Concerti bleiben im Programm, obwohl sie strenggenommen nicht zur Liturgie gehören. Monteverdi widmete seine Publikation Papst Paul V. und reiste eigens nach Rom, um sie ihm dort in einer Audienz überreichen zu dürfen.
Die Musik spannt einen Bogen von der traditionellen, satztechnisch komplexen, polyphonen Messe über die alten und neuen Arten der Psalmvertonung. Dazu zählen neben der Polyphonie und den modernen geringstimmigen Concerti auch der Lobgesang Marias. Mit diesem effektvollen Repertoire wirkt die Musik, modern gesprochen, fast wie eine kompositorische Bewerbungsmappe, in der alle Fähigkeiten ihres Urhebers in voller Breite aufgelistet sind. Die verbindende Klammer um diesen bunten Strauß von Satztechniken und Besetzungen ist die Cantus-firmus-Technik, das heißt, die Komposition über einer vorgegebenen Choralmelodie. Monteverdi zeigt damit die ganze Bandbreite der Möglichkeiten dieser uralten Setzweise.
Mag die "Marienvesper" nun als ein zusammenhängendes liturgisches Werk entwickelt worden sein oder nicht. Was bleibt, ist eine komplexe, durchdachte und prächtige Musik, die den Zuhörer unmittelbar anspricht.