Ben Becker
Ben Becker gilt als Star - und als Enfant Terrible der deutschen Schauspielerszene. Immer wieder schafft er es in die Schlagzeilen: mit preisgekrönten Filmen und privaten Exzessen.
Susan Tratz' Porträtfilm gewährt Einblicke in Beckers Leben, in sein privates Umfeld und seine Kindheit in Berlin, wo er als Ziehsohn zweier Schauspieler aufwuchs, in seine Beziehung mit Anne Seidel, aber auch in seinen beruflichen Werdegang und die Erfolge.
2007 katapultierte ihn ein lebensgefährlicher Drogenabsturz auf die Titelseiten der Boulevardblätter. Becker kommt gerade noch mal davon. Und beginnt, sein Leben zu hinterfragen, das bis dahin oft hart am Rand verlaufen ist. Nicht umsonst heißt eines der Lieder, die der Sänger Becker für seine "Zero Tolerance Band" getextet hat: "Und lautlos fliegt der Kopf weg".
Als Schauspieler ist Ben Becker vielseitig und ausdrucksstark. Die Intensität, mit der er seine Rollen interpretiert, springt das Publikum an: ob als verzweifeltes Heimkind Boris im Bella Block-Krimi "Geflüsterte Morde" oder in dem mit dem Grimme-Preis- ausgezeichneten "Polizeiruf"-Folge "Totes Gleis". Auch auf der Bühne liest und inszeniert Becker existentielle Texte: Die stammen mal aus der Feder von Klaus Kinski, mal sind sie "aus dem Urtext, dem Text aller Texte", der Bibel. Ein weiteres Grenzgängerprojekt des ehemaligen Punkers Ben Becker ist 1995 das selbst geschriebene und inszenierte Bühnenstück "Sid & Nancy" über den mysteriösen Tod der Punklegende Sid Vicious - mit Schwester Meret in der Hauptrolle.
Die Liste der Filme, in denen Ben Becker eine Hauptrolle spielte, ist lang. Die Liste seiner Preise auch. 1998 bekommt er die Goldene Kamera und den Bayerischen Filmpreis für seine Darstellung des vierschrötigen Robert Biberti in der Geschichte der A-capella-Gruppe "Comedian Harmonists". Zwei Jahre später wird er mit dem Berliner Publikumspreis "Goldener Vorhang" zum beliebtesten Schauspieler Deutschlands gekürt. Ausschlaggebend dafür ist seine Ausnahmeleistung als Franz Biberkopf in Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" am Maxim Gorki Theater Berlin. Dem Kinopublikum bekannt wurde Ben Becker neben den "Comedian Harmonists" durch "Gloomy Sunday" (1998) und "Ein ganz gewöhnlicher Jude" (2005) - eine seiner eindrucksvollsten Charakterdarstellungen.
Der Film zeigt Becker auch in seinem privaten Umfeld in Berlin: mit seiner Tochter Lilith und deren Mutter, seiner langjährigen Lebensgefährtin Anne Seidel. Die steht im Herbst 2007 trotz Drogenabsturz und dadurch öffentlich gewordener Affäre weiter zu ihm, weil sie den Macho Becker von einer ganz anderen Seite kennt: "Alle Kinder lieben ihn. Wer mit Kindern und mit Tieren kann, der hat eine reine Seele." - Amüsant sind die Interviewpassagen mit Mutter Monika Hansen und Ziehvater Otto Sander. Bei ihnen wuchs Becker von seinem neunten Lebensjahr an gemeinsam mit Schwester Meret heran: Da sitzen drei Schauspieler aus verschiedenen Generationen am Wohnzimmertisch und erinnern sich feixend an die Exzesse des pubertierenden Ben als seien sie stets eine lockere WG gewesen - und niemals Kind und Erziehungsberechtigte.
Beckers früheste Kindheit in der Bremer Polit-WG seiner Schauspieler-Eltern rekonstruiert der Film aus Fotos und Interviewpassagen mit Vater Rolf Becker. Der Junge Ben erscheint als schüchternes Kind. Gehänselt seiner roten Haare wegen, bastelt er sich im Refugium seines Kinderzimmers kleine Schaukastenwelten, Miniatur-Bühnen, auf denen er sein Leben abbildet - und neu erfindet. Leben und Kunst vermischen sich bei Ben Becker auch heute noch. "Ich bin ein Maler", sagt der Schauspieler über sich. "Ich male Bilder - und versuche dann, sie zu realisieren". Susan Tratz Film gelingt es, an der Fassade des Gemäldes Becker zu kratzen.
Nach Beckers Entlassung aus der Klinik können die Proben für seine Bibel-Inszenierung - und die Dreharbeiten für "Ma vie" weitergehen. Im September 2007 ist Premiere: Sein erster großer öffentlicher Auftritt nach dem Kollaps. Der Film zeigt den Countdown der Uraufführung und Ausschnitte aus der insgesamt dreistündigen Inszenierung. Auszüge aus der Heiligen Schrift gehen als "gesprochene Symphonie" über die Bühne. Am Schluss des Stückes - und des Porträts - verabschiedet sich ein Ben Becker, der weit mehr ist als ein Enfant terrible.