Auf demselben Planeten
In diesem dokumentarischen Filmessay begibt sich die Filmemacherin Katrin Eißing auf eine Reise zu ihrer Familie und damit zurück in eine Kindheit und Jugend im Norden Deutschlands in den Siebzigerjahren. Zwischen antiautoritärer Erziehung und den Gespenstern der deutschen Vergangenheit: Vier Kinder und das Schweigen, in das dieser Film eindringt. Die Filmemacherin führt einfühlsame Gespräche mit ihrem schizophrenen älteren Bruder in der Psychiatrie und versetzt sich mit ihren zwei jüngeren Brüdern zurück in die unbehütete und wilde Kindheit. Sie fragt die Mutter nach den Anfängen ihrer Depression und den Gründen ihrer Erziehungsverweigerung. Langsam entwickelt sich aus den Erinnerungen auch die Rolle des verstorbenen Vaters, eines anerkannten Arztes und Hypnotiseurs, der seine Ausbildung noch in der Nazizeit erlebte. Es wirkt, als hätte er sich innerlich schon früh von seiner Familie verabschiedet. Ein zunehmend beklemmendes Familienbild voller Spannungen und Umbrüche entwickelt sich - wo nach außen eine heile Welt vorhanden zu sein schien. Aus einer sehr persönlichen Perspektive werden Konturen der bundesdeutschen Gesellschaft der Siebzigerjahre sichtbar. Ein Erziehungsdrama, unter dem die erwachsen gewordenen Kinder weiterhin leiden. Die missverstandene antiautoritäre Erziehung: Alles ist erlaubt und jeder bleibt allein. Die ungewöhnlich ehrlichen Auskünfte aus einem Haus des Schweigens, in dem vier heranwachsende Kinder keine Fürsorge, keine Fragen oder Verbote, kein Lob oder Tadel erlebt haben, weil ein ideologisches Programm früher Eigenverantwortlichkeit die Eltern von ihrer Verantwortung entlastete, ergeben ein bedrückendes Dokument innerer Zerrissenheit. Der jüngste Bruder, heute selbst Familienvater, sagt: 'Ich bin eigentlich nur froh, dass ich überlebt habe und jetzt anfangen kann zu leben'. Wie lebt es sich mit einer 'erziehungslosen Kindheit'?