Araber im Allgäu
Seit einem Jahr begleitet "37°" syrische Flüchtlinge in dem Allgäuer Dorf Fischen. Die Gemeinde stellt sich der Herausforderung und zeigt im Kleinen, was Deutschland in Zukunft erwartet.
Was kommt nach der Willkommenskultur? Was bedeutet es, wenn Flüchtlinge nicht nur ankommen, sondern auch dauerhaft bleiben, wenn sie zu Kollegen, Nachbarn und Schulkameraden werden? Und wie geht man hier mit der angespannten Stimmung im Land um?
Muhannad, der gelernte Computeringenieur, hat endlich die Anerkennung als Asylbewerber und verdient sein eigenes Geld mit einer Vollzeitstelle als Fahrradmechaniker. "Ich habe die besten fünf Jahre meines Lebens durch den Krieg verloren, ich muss vergessen und neu anfangen." Jetzt will er nur noch raus aus der Unterkunft, eine eigene Wohnung finden. Doch das ist schwieriger als gedacht.
Ibrahim, der Familienvater, kann endlich seine Frau und die fünf Kinder aus einem türkischen Flüchtlingscamp zu sich ins Allgäu holen - und er hat einen Job als Maler gefunden. Mit dem Deutsch hapert es noch, aber mit den Kollegen und einer Kollegin versteht er sich bestens. Was hier anders ist als in Syrien? "Eine Frau, die malt und Chef ist."
Als Ibrahim und die anderen Flüchtlinge in Fischen ankamen, ging man für ganz Deutschland noch von 300 000 Flüchtlingen für 2015 aus. Mittlerweile liegen die Schätzungen bei über einer Million. Das bekommt man auch rund um Fischen zu spüren. Eine Tennishalle im Nachbarort ist jetzt zur Notaufnahme für 200 Menschen umfunktioniert worden.
Amjad, Palästinenser, und seit über 20 Jahren im Allgäu heimisch, ist hier im Dauereinsatz als Übersetzer - ehrenamtlich. Nie waren Helfer so wichtig wie zur Zeit. Denn es fehlt überall an Personal. Ohne die Engagierten im Ort wäre kein Job vermittelt worden, hätten die, die sich schwer tun, Fuß zu fassen, keine Chance.
"Am Anfang dachte ich, ein bisschen Klamottenspende und Deutsch lernen. Dass es mal so viel Arbeit wird, hätte ich nie gedacht." Die Wirtin Steffi ist Ansprechpartnerin für Ibrahims Familie und hilft in ihrer Freizeit mit Behördengängen und Arztterminen. Immer dabei: Mohammad Ali, der Wirtschaftsstudent. Die beiden sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Ihre unterschiedlichen Ansichten über Frauen, Männer, Hunde und Alkohol diskutieren sie mit viel Humor und Herz.
Ein Unternehmer im Ort hat Mohammad Ali jetzt für die Akquise neuer Kunden eingestellt. Mit seiner Hilfe will er den arabischen Markt mit Spezialduschen erobern. "Da wär ich ja früher nie drauf gekommen."
Nach einem heißen Sommer in Deutschland mit Zehntausenden neu angekommener Flüchtlinge hieß es: Wir schaffen das! Doch wie schaffen wir das? Die Autoren Tine Kugler und Günther Kurth zeigen, was auf Deutschland die nächsten Jahre zukommt: Die Menschen verlassen die Flüchtlingsheime, vis-à-vis in die direkte Nachbarschaft, in örtliche Betriebe und den Alltag der Einheimischen. Das verändert die Gesellschaft, nicht nur in Fischen.