Abschied vom Henninger Turm

Abschied vom Henninger Turm

Ein Miniaturbagger im Drehrestaurant schlägt den Boden auf. Menschen in Schutzanzügen und Gasmasken reißen Dämmmaterial von den Wänden. Angeseilt am Treppengeländer wirft ein Arbeiter Holzbalken durch hundert Meter Fahrstuhlschacht. Der Countdown läuft. Stück für Stück wird der Henninger Turm abgetragen - am Anfang kaum merklich, dann immer rascher. Ein Frankfurter Wahrzeichen verschwindet. Seit der Henninger Turm weg kommt, ist er Kult. Viele Reisende haben ihn bestaunt, vielen Frankfurtern war er im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen, obwohl er zur Eröffnung im Mai 1961 umstritten war: "viel zu hoch, zu amerikanisch, potthässlich", hieß es damals. Nun trauern die Leute um das eigenwillige Bauwerk, das bis 1974 nicht nur das höchste Gebäude Frankfurts war, sondern auch das höchste Getreidesilo der Welt mit Aussichtsrestaurant. Der Turm strotzt vor Geschichten, kaum ein Frankfurter, der nicht in seiner Kindheit wenigstens einmal im Drehrestaurant gesessen, den Ausblick genossen und andächtig im Kreis gefahren ist - vorbei an Worten wie "Römer", "Paulskirche" oder "Goetheturm", die am unteren Rand der Fensterscheiben klebten und dem Gast rundherum die Aussicht erklärten. Doch der Turm musste weg. Er war marode, voller Asbest und nicht für neue Zwecke nutzbar. Was aber heißt es, ein Silo aus starken Betonsäulen von rund 120 Metern Höhe abzutragen, Stück für Stück, Baustoff für Baustoff? Erst die letzten Meter können mit der krallenartigen Maschine grob abgebrochen werden. Die Filmautorin Simone Jung begleitet die aufwändigen Abrissarbeiten und besucht diejenigen, die mit Gedenkveranstaltungen und der Idee, einen ähnlich aussehenden Wohnturm an der Stelle zu errichten, den Henninger Turm doch irgendwie erhalten wollen.

Bewertung

0,0   0 Stimmen