Ab 18 - Musik auf dem Index

Ab 18 - Musik auf dem Index

1960 passierte es zum ersten Mal: Eine Schallplatte landete auf dem Index. Seitdem sind hunderte Tonträger indiziert worden: Die Liste der Verbote ist ein Spiegelbild des deutschen Zeitgeists.

"Ich prüfe meine sexbegabten Zonen und kenne an die 30 Positionen", sang die Münchener Musikerin Gisela Jonas 1960 - das war zu viel in der jungen Bundesrepublik. "Das Lied einer Dirne" wurde indiziert und durfte nicht mehr beworben oder an Minderjährige verkauft werden.

Dies war der erste Fall. Seitdem hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien mehr als 1.400 Tonträger indiziert. Diese nicht öffentliche "schwarze Liste" liest sich wie ein Stück deutscher Zeitgeschichte: von der prüden Stimmung Anfang der 60er Jahre über die Angst vor Drogenmissbrauch in den 70er Jahren bis hin zum Katz-und-Maus-Spiel der Spaßband "Die Ärzte" mit den Jugendschützern. Die Band veröffentlichte als Reaktion auf eine Reihe von Beanstandungen alle indizierten Lieder auf einer Platte mit dem Titel "Ab 18". Das war 1987, eine gezielte Provokation - und ein Werbe-Gag.

Aber selbst wenn die amtlichen Prüfer ruhig blieben, konnten Musiker Probleme bekommen. Popstar Falco traf es 1985 mit "Jeanny". Die Bundesprüfstelle lehnte zwar den Antrag ab, das Lied zu indizieren - aufgrund seines künstlerischen Werts. Radio- und Fernsehsender aber boykottierten den Song, weil es eine Vergewaltigung und Entführung verharmlose und verherrliche. Ein Hit wurde "Jeanny" dennoch.

In der DDR hatten Musiker mit härteren Einschränkungen zu kämpfen. In den 60er Jahren wurden beat-begeisterte Jugendliche zum Arbeitsdienst in den Braunkohletagebau geschickt; die erste Generation der männlichen Ost-Punks wurde in den 80er Jahren zwangsweise in die Nationale Volksarmee eingezogen. Später war die alternative Szene von Stasi-Spitzeln durchsetzt. An subversiver Kritik und feinsinnigem Widerstand jedoch konnte das die alternativen Musiker nicht hindern.

Heute gleicht die Arbeit der Jugendschützer einem Kampf gegen Windmühlen. Viele der indizierten Lieder sind mühelos im Internet zu finden. Dennoch zeigt die Dokumentation von Frank Diederichs eindrücklich, wie Indizierungen bis heute immer wieder einen wichtigen Anlass zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen bieten. Dazu hat der Filmemacher auch zahlreiche Betroffene und Experten wie den "deutschen Elvis" Ted Herold, die Vize-Chefin der Bundesprüfstelle Petra Meier, den langjährigen EMI-Manager Helmut Fest oder die feministische Rapperin "Lady Bitch Ray" Reyhan Sahin befragt.

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