22qm Deutschland

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Gesellschaft und SozialesD  

"37°" begleitet über ein halbes Jahr den Hausmeister Joop Snel und mehrere Bewohner des sogenannten "Bullenklosters", ein Wohnsilo, in Kiel.
Als "Abschaum" werden die Bewohner der Hamburger Chaussee 63 von vielen beschimpft. Hier ziehen die meisten ein, weil die Alternative Obdachlosigkeit wäre. Doch wer sind diese Menschen, die in insgesamt 262 Einzimmerwohnungen à 22 Quadratmeter leben?

Sascha Schmidt lebte bis vor einem dreiviertel Jahr in einer Zweizimmerwohnung in Hamburg. Er hatte ein finanziell sorgenfreies Leben, genug Geld, um sich jeden Wunsch zu erfüllen. Egal ob Urlaub, Kleidung oder Essen gehen - alles war möglich. Doch dann erlitt er einen Burnout. Er beschloss, in seine Heimat Kiel zurückzukehren und landete im "Bullenkloster". Wie die meisten Bewohner kam auch er mit nichts außer einer Reisetasche an. Er war am Tiefpunkt seines bisherigen Lebens angekommen.
Vor viereinhalb Jahren floh Marlies Schneider vor ihrem gewalttätigen Ehemann ins "Bullenkloster". Mit ihrem Ex-Mann hat sie zwei inzwischen erwachsene Söhne. Bevor Marlies in das Haus mit dem schlechten Ruf zog, lebte sie mit ihrer Familie in einem kleinen Häuschen in einem Vorort von Kiel. Dort führte sie allerdings ein komplett durch ihren Ex-Mann dominiertes und kontrolliertes Leben. Sie durfte keine Freunde haben, nicht ausgehen und war für den gesamten Haushalt zuständig. Für sie war es ein Martyrium, das sie jahrelang ertrug, bis sie eines Tages floh und im "Bullenkloster" unterkam. Doch der Preis für ein Leben ohne ihren gewalttätigen Ehemann war hoch. Beide Söhne haben den Kontakt zu ihr abgebrochen, wohl auch, weil sie sich für den neuen Wohnort ihrer Mutter schämen.
Babette Zauske hat immer von einem "Prinzessinnenleben" geträumt. Doch sie hat es nie "in die andere Welt" geschafft. Und das, obwohl sie eigentlich nichts falsch gemacht hat: Sie ist erfolgreich zur Schule gegangen und hat eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin abgeschlossen. Ihr Leben lang hat sie viel gearbeitet, und trotzdem kann sie sich nur eine Miete von maximal 350 Euro leisten. Babette Zauske gehört zu den zirka 40 Prozent der Menschen im "Bullenkloster", die arbeiten und bei denen das Gehalt trotz Schichtarbeit und unzähliger Überstunden nicht für mehr reicht. "Hier werden die Menschen abgestellt, und keiner kümmert sich", wettert sie und plädiert für mehr staatlichen Beistand.
Der Hausmeister Joop Snel versucht seit gut zehn Jahren, Ordnung in das Haus zu bringen und greift ein, wenn seiner Meinung nach die Behörden versagen. Der Holländer ist der wichtigste Dreh- und Angelpunkt im Haus. Die Tür zu seinem Büro steht den ganzen Tag offen, und er kennt jeden Bewohner persönlich. Er ist nicht nur der Hausmeister, sondern auch "Psychologe, Sozialarbeiter und einfach Mädchen für alles", so Snel.
Wenn die Adresse zum Stigma wird - "37°" zeigt Menschen und Schicksale hinter den Türen des sogenannten "Bullenklosters" in Kiel.

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