In Würde alt werden in Hollywood, das ist nicht vielen Stars gegeben. Die Klügeren wie Sean Connery oder Gene Hackman erkennen die Zeichen der Zeit und ziehen sich, wenn auch oft erst nach einem Flop, in einen ehrenvollen Ruhestand zurück, die Tragischen wie Omar Sharif oder aktuell Robert De Niro wurschteln sich hingegen durch fragwürdige B- und C-Filme, bis sie zum tragikomischen Klischee verkommen. Bei Al Pacino, der 1972 beinahe aus dem Nichts mit Francis Ford Coppolas Der Pate zu einem der meistgefragten Charakterdarsteller der Filmfabrik aufstieg, steht ein abschließendes Urteil noch aus. Für den ewigen Michael Corleone könnte 2019 aber zum Entscheidungsjahr werden.
Pacinos Karriere hat über die Jahre schon mehrere Rückschläge erlebt: Bereits Mitte der 80er warf ihn Revolution für mehrere Jahre aus der Bahn. In dem Historiendrama spielte Pacino einen Trapper, der in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gerät. Darstellerisch konnte Pacino damals überzeugen, doch das mit allzu heißer Nadel gestrickte Historiendrama floppte bei Zuschauern und Kritikern.
Rückschlag 1985: Revolution hatte das Potential zum Erfolgsepos, blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück
Ähnlich holprig begannen für ihn die 90er, als Francis Ford Coppola seine Mafia-Trilogie eher schlecht als recht mit Der Pate III abschloss, auch wenn Pacinos Abgesang auf seinen Don Corleone bis heute dramatisch zu überzeugen weiß. Trotz allem aber waren die 90er ein Erfolgsjahrzehnt für Pacino, der sich in Filmen wie Der Duft der Frauen, Heat und Donnie Brasco als hervorragender Charakterdarsteller bewährte.
Die erste direkte Zusammenarbeit mit Robert De Niro: 1995 brillierte nicht nur Pacino in Michael Manns Heat
Die 2000er sahen Pacino in Erfolgen wie Christopher Nolans Insomnia, aber öfter in Flops wie Das schnelle Geld, dessen Titel Pacinos Rollenwahl allzu gut beschrieb, und Kurzer Prozess – Righteous Kill, in dem die noch in Heat so elektrisierende Kombination von Pacino und Robert De Niro zum schlechten Klischee verkam.
Doch während Pacinos Karriere noch 2009 am Ende schien, ist dieses Ende nun wieder offen: In den letzten Jahren gelangen Pacino mitreißende Charakterdarstellungen in einer Reihe von TV-Produktionen, und auch im Kino konnte Pacino mit Mr. Collins' zweiter Frühling wieder überzeugen. Wohin also geht es für Pacino?
In diesem Jahr warten gleich zwei Prestigeprojekte auf ihn: Zum einen The Hunt, eine Amazon-Serie über eine Gruppe von Nazi-Jägern im New York der 80er Jahre, in der Pacino seine erste echte Serienrolle übernehmen wird. Zuvor war Pacino nur 2003 in der Miniserie Engel in Amerika an der Seite von Meryl Streep, Emma Thompson und James Cromwell auf dem Fernsehschirm zu sehen. The Hunt ist das neueste Projekt von Nikki Toscano, die sich mit Serienerfolgen wie Bates Motel und 24: Legacy einen Namen gemacht hat, und wird entsprechend mit großer Spannung erwartet.
Noch mehr gespannte Erwartungen umgibt allerdings Pacinos diesjähriges Netflix-/Kinoprojekt: In The Irishman versammelt Altmeister Martin Scorsese noch einmal die Crème de la Crème der großen Mafia-Darsteller um sich, um sich nach 10 Jahren den Traum zu erfüllen, die Geschichte des Mafiakillers Frank „The Irishman” Sheeran zu erzählen, der auf seinem Sterbebett auf seine mörderische Karriere zurückblickt.
Diese Hauptrolle wird hier Robert De Niro übernehmen, der mit der neuesten Technik aus dem Zauberkeller von Industrial Light & Magic digital verjüngt an der Seite von Al Pacino, Harvey Keitel und überraschend sogar Joe Pesci zu sehen sein wird, welcher sich erst beim 50. Nachfragen bereit erklärte, aus seinem Ruhestand zurückzukehren.
Kann Pacino in The Irishman noch einmal so elektrisieren wie einst in Der Pate?
Trotz seiner zahlreichen Mafia-, Krimi- und Thrillerrollen stellt The Irishman tatsächlich die erste Zusammenarbeit von Pacino und Scorsese dar. Pacino übernimmt dabei die Rolle des korrupten Gewerkschaftsführers Jimmy Hoffa, der von Sheeran ins Visier genommen wird.
Man darf also gespannt sein, wo sich diese 4. Zusammenarbeit von Pacino und De Niro einreihen wird: Am oberen Ende bei Der Pate 2 oder unten bei Righteous Kill? 2019 wird wirklich ein entscheidendes Jahr für Al Pacino.