Was geschah in Bethlehem?

Was geschah in Bethlehem?

Advent, Advent

18.12.2013 - 11:33 Uhr

Vor einer Woche haben wir uns in unserem Adventskalender mit dem Geburtstag und Geburtsjahr Jesu befasst, heute kommen wir nun zum Geburtsort. Schon im ersten Beitrag ist deutlich geworden, dass historische Untersuchungen rund um Jesus ein großes Problem haben: Die vorhandenden Quellen sind sich denkbar uneins und natürlich nicht nur nicht neutral, sondern parteiisch und auf eine klare Agenda ausgerichtet, nämlich Jesus als Religionsstifter und Messias darzustellen.

Die Geburtskirche

Die Geburtskirche in Bethlehem steht an einem Ort, der bereits im 2. Jahrhundert verehrt wurde. Historisch betrachtet steht sie vermutlich trotzdem in der falschen Stadt.

Interessant wird dieser Punkt beim Thema Geburtsort: Im Matthäusevangelium wird Jesus in Bethlehem geboren, und seine Familie ist offenbar auch dort zuhause. Gleich zu Beginn der Erzählung kommt er auf die Welt, und in diesem Augenblick erst sehen die drei Weisen den Stern und reisen nach Jerusalem, wo sie auf Herodes treffen, um erst dann nach Bethlehem zu gelangen. Sie finden Jesus - in einem Haus, nicht in einem Stall -, und danach folgt die klassische Geschichte um den Kindermord und die Flucht nach Ägypten. Nazareth kommt in dieser Fassung erst nach der Rückkehr aus Ägypten vor, weil sich Maria, Josef und ihr Kind dort aus einem nicht näher genannten Grund niederlassen.

Bei Lukas gibt es hingegen die bekanntere Weihnachtsgeschichte, in der Maria und Josef aus Nazareth stammen und nur nach Bethlehem reisen, um "sich schätzen" zu lassen, nachdem "ein Gebot von dem Kaiser Augustus" ausgegangen ist. Lukas ist auch derjenige, der uns die schöne Geschichte von Hirten, einem Ochsen und Esel, einem Stall und einer Krippe berichtet. Was bei ihm dann wieder fehlt, ist der Kindermord von Bethlehem, von dem nur Matthäus erzählt, und auch die Flucht nach Ägypten fällt hier aus.

Die Lukas-Fassung inspirierte auch General Lew Wallace zum Auftakt seines Romans Ben Hur. Und Jahrzehnte später William Wyler zu den ersten Szenen seines legendären Films.

Wieso nun unterscheiden sich die beiden Versionen? Historiker und Bibelforscher gehen inzwischen davon aus, dass beide Fassungen lediglich Versuche der Evangelisten darstellen, eine göttliche oder zumindest prophezeite Geburt Jesu in Anlehnung an alttestamentarische Quellen zu konstruieren, ohne dass es dafür für sie nutzbare frühchristliche Zeugenberichte gegeben hätte. Während Elemente wie das Predigerleben Jesu, sein Einzug in Jerusalem oder die "INRI"-Schrift auf dem Kreuz also von Augenzeugen und Anhängern überliefert werden konnten, fehlte ihnen für die Geburt Jesu schlicht und einfach die Faktenbasis.

Die beiden Evangelisten sahen sich deshalb wohl die jüdische Messiastradition an und versuchten dann, die darin auftauchenden Elemente in eine halbwegs logische Geschichte zu verrühren. Der Geburtsort Jesu geht dabei auf den Propheten Micha zurück, der erklärte, der Messias werden eben dort - in Bethlehem - geboren werden. Für Matthäus und Lukas stellte das insofern ein Problem dar, als Jesus als Nazarener, bzw. Nazoräer bezeichnet wurde. Seine Herkunft aus Nazareth konnten sie also nicht einfach umschreiben oder ignorieren.

Matthäus erklärte diesen Widerspruch, indem er auf eine weitere alttestamentarische Quelle zurückgriff: Im Buch Hosea heißt es, der Messias werde aus Ägypten kommen. Bei Matthäus wird Jesus damit in Bethlehem geboren, geht dann nach Ägypten, kommt von dort zurück und lebt schließlich in Nazareth.

Lukas hingegen klammert den Ägyptenverweis aus und betont stattdessen die Herkunft der heiligen Familie aus Nazareth. Seine Erklärung für die Geburt in Bethlehem, auf die auch er nicht verzichten kann, ist der kaiserliche Zensus, der sich als Reichszensus allerdings nur auf römische Bürger erstreckt hätte, was weder Maria noch Josef je waren. So plausibel, wie er es gerne gewesen wäre, war Lukas hier also nicht.

Und wo wurde Jesus nun wirklich geboren? Die meisten Historiker gehen dieser Tage von einer Geburt in Nazareth aus, da es zahlreiche Belege für eine Herkunft Jesus von dort gibt, während er mit Bethlehem - von den Weihnachtsgeschichten einmal abgesehen - praktisch nichts zu tun hat. Und da die einfachste Erklärung meist nicht nur die beste, sondern auch die richtige ist, dürfte tatsächlich zu vermuten sein, dass er auch in seiner späteren Heimatstadt auf die Welt kam.

Die drei Weisen hatten insofern vermutlich weit bessere Chancen, Brian in Bethlehem zu finden.

Eine interessante Darstellung der heutigen Erkenntnisse über die Historizität Jesu - und darüber, dass historische Betrachtungen natürlich zu keinen Aussagen über seine Göttlichkeit oder Nicht-Göttlichkeit berechtigen - findet ihr unter anderem in dieser äußerst spannenden Onlinevorlesung der Universität Yale.