Es gibt Filme, die so perfekt, so legendär oder so zeittypisch sind, dass sich eine Neuverfilmung oder Fortsetzung eigentlich verbietet: Citizen Kane hat einen derartigen künstlerischen Stellenwert, dass sich kein Regisseur im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte an diesen "perfekten Film" (so die wiederholte Aussage) heranwagen sollte, Stanley Kubricks Lebenswerk ist geradezu kultisch aufgeladen und damit auch nicht gerade als Thema einer moderneren Fassung oder eines Sequels geeignet.
Schwieriger wird es bei offensichtlichen Klassikern, die zu ihrer jeweiligen Zeit Kassenrekorde aufgestellt haben. Bei ihnen dürften Studios - gerade in der aktuellen Lage, in der eigentlich nur noch Remakes und Sequels beim Publikum zu ziehen scheinen - verständlicherweise in Versuchung geraten, alten Wein in neuen Schläuchen zu präsentieren. Derartige Fälle finden sich schon in der Vergangenheit reichlich: King Kong kommt alle paar Jahrzehnte auf die große Leinwand zurück, Robin Hood bleibt - mal als Remake, mal als Neuinterpretation - ein gängiges Sujet, und wenn alle Stricke reißen, wird eben eine klassische Filmkomödie neu aufgelegt oder fortgesetzt (siehe dazu Sabrina, E-Mail für Dich und Der rosarote Panther).
Auch nur ein Remake: Das Original heißt Rendezvous nach Ladenschluß und kam 1940 in die Kinos
In diese Kategorie kommerziell enorm erfolgreicher Klassiker, die man dennoch nicht für modernisierbar halten würde, fallen nun auch zwei Gerüchte über Remake- und Sequel-Pläne in Hollywood: Sowohl das Zeitdokument Casablanca als auch der kommerziell erfolgreichste Quasi-Bibel-Film Ben Hur stehen aktuell vor Neubearbeitungen.
Kann das gutgehen?
Im Falle von Casablanca sind derartige Pläne nichts Neues: Schon kurz nach dem Kinostart plante das Studio eine Fortsetzung namens Brazzaville, für die Humphrey Bogart sogar schon fest gesetzt war, 1974 gab es Remaketräume. Dazu kamen erfolglose Fernsehserien in den den 50er und 80er Jahren, zwei Broadway-Musicals und vor wenigen Jahren ein gescheitertes japanisches Musical. Selbst im Kino gab es eine Quasi-Fortsetzung: Steven Soderberghs The Good German orientierte sich stilistisch deutlich am Vorbild und konnte damit 2006 keinen Blumentopf gewinnen.
Stilistisch bemerkenswert, insgesamt erfolglos: Soderberghs The Good German
Trotz dieser Pleitewelle macht nun wieder ein Drehbuch zu einer Fortsetzung die Runde. Return to Casablanca, so der Arbeitstitel, soll erzählen, wie der Sohn von Ilsa und Victor László 20 Jahre nach dem ersten Film in Nordafrika nach Rick sucht. Und auch die große Überraschung des Sequels ist schon raus: Besagter Sohn, der auch Rick heißt, ist in Wahrheit das Kind vom ersten Rick. Im Film soll er mit einer Araberin namens Joan zusammen Jagd auf Altnazis machen.
Unerreichbar?
Der offensichtlich hanebüchenen Handlung zum Trotz könnte das Projekt so schlecht nicht ausfallen: Der Drehbuchautor des Originalfilms ist nämlich auch für das neue Drehbuch verantwortlich, das in Wahrheit so neu nicht ist, sondern von 1980 stammt. Wie es irgendeinem Drehbuch oder Film allerdings gelingen soll, an den Charme von Bogart und Bergman, an die real spürbare Angst vor den Nazis, an bis in die Nebenrollen mit europäischen Flüchtlingen besetzte zeitlose Figuren und an klassische Zitate und As Time Goes By heranzukommen, ist allerdings dennoch mehr als fraglich.
Bessere Chancen könnte da der Ben-Hur-Neuaufguss haben, war doch schon der von vielen für den Originalfilm gehaltene Klassiker mit Charlton Heston in Wahrheit allerhöchstens die zweite Filmfassung des Stoffs (einen abendfüllenden Film gab es bereits in den 20ern, einzelne Szenen des Films waren schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfilmt worden). Dazu war Ben Hur schon im 19. Jahrhundert als Bühnenshow unterwegs und damit von Anfang an auf die möglichst totale Kommerzialisierung ausgerichtet. Ein weiteres Remake würde General Lew Wallace, der 1880 den Originalroman schrieb, also sicher nicht sonderlich stören, zumal schon vor drei Jahren eine Miniserie zu Ben Hur produziert wurde.
Die Fassung von 1925 war teilweise noch spektakulärer als die von 1959
Die jüngste Neuverfilmung soll Timur Bekmambetov besorgen, der Regisseur von Wanted und Nochnoi dozor. Grundlage ist ein Konzept des Drehbuchautors Keith Clarke, der vor einigen Jahren den bislang letzten Film von Regisseur Peter Weir (Die Truman-Show, Der Club der toten Dichter), The Way Back, mit einem Drehbuch versorgt hat. Hintergrund der Neuverfilmung scheint der TV-Erfolg der Miniserie "Die Bibel" zu sein sowie die damit verbundene Hoffnung auf ähnliche Ergebnisse für die aktuell in Arbeit befindlichen Kinofilme Noah von Darren Aronofsky, in dem Russell Crowe in die Rolle des Archenbauers schlüpft, und Exodus von Ridley Scott, in dem Christian Bale in Charlton Hestons anderer großer Rolle, Moses, zu sehen sein wird. Die beiden Bibelfilme laufen nächstes Jahr in den Kinos an und haben das Potential, eine neue Bibelwelle in Hollywood auszulösen.
Auch nur ein Remake, aber trotzdem ein Meilenstein
Auch von einem nicht-kommerziellen Standpunkt aus bleibt Ben Hur ein interessanter Stoff: Der Heston-Film ließ weite Teile der Originalhandlung aus, darunter die Intrigen der Römer in Judäa, Ben Hurs Aufbau dreier jüdischer Legionen zum Kampf gegen die Römer und nahezu die gesamte Hintergrundgeschichte des im Film nur als Nebenfigur auftauchenden Händlers Simonides. Richtig umgesetzt könnte eine Neuverfilmung insofern die besten Elemente der Stummfilm- und der Heston-Fassung vereinen und erstmals tatsächlich den Roman filmisch verwerten.
Clarkes Version scheint allerdings deutlich tiefer zu stapeln: In seinem Konzept soll es vor allem um die Freundschaft von Ben Hur und Messala gehen sowie um die Geschichte Jesu, die im Heston-Film nur relativ am Rande auftaucht. Was der nicht gerade für seine Charakterzeichnungen bekannte Timur Bekmambetov aus diesem Ansatz macht, dürfte dennoch zumindest interessant zu beobachten sein. Mutmaßlicher Kinostart des neuen Ben Hur: Nicht vor 2015.