Schmeißen wir Goethe vom Sockel

Schmeißen wir Goethe vom Sockel

Fack Ju Göhte auf Pro Sieben

09.10.2016 - 12:30 Uhr

Zum Sonntag wagen wir uns mit einer steilen These an die Öffentlichkeit: Deutschunterricht ist prinzipiell Mist. Nicht für Leute, die Deutsch lernen wollen, versteht uns da bitte nicht falsch, aber für Muttersprachler kann Deutschunterricht eigentlich nur in Depressionen enden: Entweder weil man sich in einer Lebenssituation befindet, in der man Spannenderes im Sinn hat, als die Bedeutung blauer Blumen in der romantischen Dichtung Woche für Woche für Woche wiederzukäuen oder weil einem selbst die lesenswertesten Klassiker des deutschen Literaturkanons, die einem mit etwas mehr Luft zum Atmen - vom Denken mal ganz zu schweigen - vielleicht sogar ans Herz wachsen könnten, so nachdrücklich, pingelig und repetitiv in den Rachen gestopft werden, dass Würgereflexe schon aus Selbsterhaltungsgründen unvermeidlich sind. Okay, mag sein, dass eure Deutschlehrer da mehr Feingefühl und Lebensnähe zeigen als unsere.

Fack Ju Göhte Brachiale Lehrmethoden könnten Göhte, Verzeihung: Goethe vielleicht ganz guttun

So oder so dürften die meisten Schüler die Schule mit dem Eindruck verlassen, dass Schauspiel nur ein anderes Wort für Pflichttermin, Gedicht unvermeidlich eine Aufforderung zu einer mehrseitigen Interpretation und Goethe in jeder Lebenslage Langeweile bedeutet. Und das ist, auch diese steile These stellen wir zum Sonntag mal auf, prinzipiell schade.

Zumal gerade Goethe Phasen hatte, in denen er selbst den müdesten Deutschschüler garantiert aufgeweckt hätte. Zum Beispiel mit dieser Passage, die zeitweise für den Faust vorgesehen war:

Euch gibt es zwei Dinge // So herrlich und groß: // Das glänzende Gold // Und der weibliche Schoß. // Das eine verschaffet, // Das andre verschlingt; // Drum glücklich, wer beide // Zusammen erringt!

Welcher Schüler - oder Yuppie - würde dem wohl widersprechen wollen? Zu hochphilosophisch? Wie wäre es dann hiermit:

Ich möcht wohl meine Pritsche schmieren // Und sie zur Tür hinausformieren // Indes was hab ich mit den Flegeln // Sie mögen fressen und ich will vögeln.

Gut, das war ein Stück weit geflunkert, denn letzteres Zitat entstammt nur einem Goethe-Fragment: Hanswursts Hochzeit, einer Farce, in der Figuren wie Ursel mit dem kalten Loch, Hans Arsch von Rippach und Matz Fotz von Dresden auftauchen sollten und die Goethe später zwar thematisch weiterführte - u.a. im Faust -, aber formal dann aus Krassheitsgründen doch lieber liegenließ.

Trotzdem: Es steckt mehr in den Klassikern als stumpfes Auswendiglernen, Wiederkäuen oder - schrecklichste Blödheit von allen - Verehren in Marmor gemeißelter Genies. Denn bevor sie Marmor waren, waren sie erst einmal ganz Mensch. Also: Fack Ju Göhte. Und: Hallo Goethe, schön, Dich endlich mal richtig kennenzulernen.

Fack Ju Göhte läuft heute um 20:15 Uhr auf Pro Sieben.