Die Vereinigten Staaten feiern heute ihren 241. Independence Day, bzw. das, was sich mit der Zeit als Termin dafür eingebürgert hat (die eigentliche Erklärung der Unabhängigkeit von Großbritannien erfolgte immerhin bereits am 2. Juli). Für Erdenbürger außerhalb der USA ist heute hingegen nicht Anti-England-, sondern Anti-Alien-Tag, denn vor 21 Jahren kam Roland Emmerichs Independence Day in die Kinos, der nicht nur wegen seiner bemerkenswerten Bilder explodierender Gebäude und Raumschiffe in Erinnerung geblieben ist, sondern auch für ein kleines Stück echter Kinomagie: Einer der motivierendsten Präsidentenreden in der Geschichte Hollywoods.
Bill Pullmans Rede hat inzwischen ein erstaunliches Eigenleben entfaltet und ist in verschiedensten Interpretationen im Umlauf, natürlich auch als Katzenvideo. Dass sie überhaupt in dieser Form im Film auftaucht, ist hingegen eher dem Zufall, bzw. dem hektischen Terminplan der Independence-Day-Macher geschuldet. Und ihrer Vorliebe für ihren Filmtitel.
Rückblende: Anfang 1995 hatten Roland Emmerich und Dean Devlin ihren zweiten gemeinsamen Film, Stargate, nach einem Jahr weltweiter Promo-Arbeit gerade hinter sich gelassen und machten Urlaub in Mexiko. Schon während der Arbeit an Stargate hatte sich Emmerich ausgemalt, wie es wohl wäre, wenn seine Stargate-Aliens plötzlich auf der Erde auftauchen würden, jetzt wollte er die Pause nutzen, um daraus ein Filmkonzept zu bauen. Zusammen mit Devlin schrieb er binnen 3 Wochen ein wenig inspiriertes, aber sehr umsetzbares Drehbuch, das phantastische Schauwerte bot und großes Popcorn-Kino versprach.
Grünes Licht gab es von 20th Century Fox entsprechend schnell: Einen Tag nach der Einreichung des Drehbuchs war Independence Day offiziell bewilligt, 3 Tage danach begann die Vorproduktionsphase. Damit blieben bis zum anvisierten Kinostart am 4. Juli des Folgejahres etwas über 16 Monate, um den Film irgendwie vorzeigbar zu machen.
Die große Präsidentenrede fiel angesichts dieses Zeitplans beinahe unter den Tisch: Zwar waren sich Emmerich und Devlin einig, dass es einen großen rhetorischen Auftritt des Präsidenten vor seinen Truppen bräuchte - Devlin nannte den Moment in Anlehnung an Shakespeares Heinrich V. die St. Crispins-Tag-Rede des Films -, doch die beiden Ko-Autoren kamen nie dazu, eine entsprechende Rede auf die Beine zu stellen.
Stattdessen leierte sich Devlin, wie er es beschrieb, in fünf Minuten eine Platzhalterrede aus den Rippen, die irgendwie in die Geschichte passte und sagte, man werde sich später nochmal hinsetzen, um eine perfekte Lösung zu finden. Dieses Später kam nur nie, und schließlich kam der Tag, wo die Rede gefilmt werden musste.
Devlin erzählte später, er sei in dem Glauben zum Set gerannt, den Film ruiniert zu haben, doch als er dort ankam, sei bereits geprobt worden... Und die Statisten hätten sich von dem begeistert gezeigt, was sie da hörten. Devlin sah Emmerich an, Emmerich sah zurück, und eine Neufassung war vom Tisch.
Besonders beeindruckt waren die beiden Autoren dabei von Bill Pullman, der vor Beginn der Dreharbeiten angekündigt hatte, seine Rolle im John-Wayne-Stil anlegen zu wollen: Erst etwas unsicher, später als klassisch amerikanischer Cowboy-Präsident mit großem Selbstbewusstsein.
Bei seiner Präsentation der Rede orientierte sich Pullman an diversen großen Reden des 20. Jahrhunderts, doch vor allem an einem Beinahe-Präsidenten und einem kurzen und spontanen Beitrag: Robert Kennedys Reaktion auf die Ermordung von Martin Luther King. Ähnlich ungekünstelt und direkt wollte sich auch Pullman präsentieren.
Nur eine winzige Änderung nahmen Devlin und Emmerich in letzter Minute vor: Den letzten Satz, das Crescendo der Rede, "heute feiern wir gemeinsam unseren Independence Day". Nicht ohne Grund steckt der Titel des Films in diesem Satz, denn genau den hofften sie, sich so sichern zu können.
Zu diesem Zeitpunkt überlegte Fox nämlich ernsthaft, den Film als "Doomsday", also Weltuntergangstag, in die Kinos zu bringen, ein Titel, mit dem Devlin und Emmerich so gar nicht glücklich waren. Ihren Wunschtitel im großen emotionalen Auftakt des letzten Akts zu verankern, war insofern ein kühner Schachzug, der letztlich Erfolg hatte.
Und wie steht es nun mit der Zukunft von Pullmans Präsidentschaft, geschweige denn der der Erde, die im alles andere als erfolgreichen Independence-Day-Sequel übel in Mitleidenschaft gezogen wurde: Emmerich will seine Independence-Day-Geschichte nach wie vor abschließen, und der dritte Teil der Reihe ist auch nach wie vor "in Entwicklung". Angesichts des eher schwachen Einspielergebnisses des ersten Sequels, könnte es aber glatt passieren, dass die Geschichte der Erde nicht auf der großen Leinwand fertigerzählt wird, sondern im Fernsehen. Entsprechende Gespräche sollen schon stattgefunden haben. Und wer weiß, vielleicht feiern Pullman und seine Mitstreiter ja eines Tages tatsächlich noch einen weiteren Independence Day.