Wer in den 90er Jahren eine Qualitätsserie suchte, kam um Akte X faktisch nicht herum: Nirgendwo sonst gab es ein derart langfristiges Handlungselement, keine andere Serie warf im Büro und auf dem Schulhof so viel Diskussionsstoff auf, und kein Fernsehduo wurde sprichwörtlicher als Mulder und Scully.
Für X-Files-Erfinder Chris Carter hätte die Serie zum Sprungbrett für eine überaus erfolgreiche TV-Karriere werden können, doch bis heute hängt ihm Akte X wie ein Mühlstein am Hals. Schon sein erstes Serienprojekt ohne Mulder und Scully (Millennium – Fürchte deinen Nächsten wie Dich selbst), mit dem sich Carter noch in den 90er Jahren eigentlich von Akte X entfernen wollte, zündete nie richtig und wurde entsprechend durchaus passend nach drei Staffeln mit geringer Einschaltquote als Unterhandlung einer Akte-X-Folge beendet.
Weitere Serienprojekte aus den letzten Akte-X-Jahren bekamen noch nicht einmal eine erste Staffel voll: Die Science-Fiction-Serie Virtual Reality - Kampf ums Überleben (Harsh Realm) über Menschen in einer virtuellen Realität, die als moderne Fassung von Blade Runner und Platoon gedacht war, brachte es 1999 auf gerade einmal 9 Folgen. Minimal erfolgreicher waren Die einsamen Schützen (The Lone Gunmen). Die Serie, die wohl nicht zuletzt als Reaktion auf den Misserfolg von Harsh Realm direkt als Ableger von Akte X angelegt war, kam immerhin auf eine volle Halbstaffel mit 13 Folgen. In Erinnerung bleiben dürfte die Serie aber wohl nur bei Verschwörungsfans, da bereits in einer Folge aus dem März 2001 ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen werden sollte (was von den Serienhelden aber natürlich im letzten Augenblick vereitelt wird).
Futter für Verschwörungsfans
Als Akte X 2002 zuende ging, verschwand Carter praktisch von der Bildfläche und tauchte erst 2008 für den zweiten Akte-X-Kinofilm noch einmal mit ordentlichem Erfolg in der Öffentlichkeit auf. Eigenen Angaben zufolge entwickelt er zudem seit über 10 Jahren einen Thriller namens Fencewalker, der inzwischen - d.h. seit mehreren Jahren - auch mindestens teilweise abgedreht ist. Carter zufolge ist das Projekt aktuell aber reichlich tot.
Umso faszinierender ist nicht zuletzt deshalb das Interview, das Carter unlängst dem Magazin Vulture gab. Darin erklärte er, er befasse sich inzwischen mit "dem interessanten Material, das Bradley Manning, Edward Snowden und Julian Assange für uns offengelegt haben. Mich interessiert das breite Spektrum politischer Debatten, das auf den US-Kabelnachrichtensendern zu sehen ist. Ich schalte bei mir zuhause ständig von Fox News zu CNN und weiter zu MSNBC. Das ist faktisch eine Sucht geworden. Nicht so sehr wegen der gezeigten Inhalte, sondern wegen des Kontexts. Und darüber schreibe ich jetzt."
Chris Carter mit seinen Stammdarstellern Gillian Anderson und David Duchovny, Quelle: Beyond Hollywood
Kopf des Projekts, an dem Carter da schreibt, ist allerdings wohl nicht er, sondern sein ehemaliger Zögling, der Akte-X-Veteran und Breaking-Bad-Entwickler Vince Gilligan. Die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Umsetzung des geistigen Akte-X-Nachfolgers dürfte schon allein dadurch gewaltig steigen. Einen Starttermin nennt Carter dennoch nicht: "Die Entscheidung obliegt den Schicksalsgöttinnen", meinte er gegenüber Vulture. Mögen sie ihm diesmal gnädiger sein als bei seinen früheren Projekten.