Zu schnell in den Tod

Zu schnell in den Tod

Illegale Straßenrennen nehmen zu, die Opferzahlen steigen. "37°" taucht in die Tuningszene ein, begleitet Polizisten bei nächtlichen Kontrollen und zeigt die schweren Folgen der Raserei.

Was macht den Reiz aus, einen Golf II mit 500 PS aufzumotzen? Warum setzen Tuner ihr Leben und das anderer aufs Spiel? Die Verursacher des Unfalls von Hagen im Mai 2016 stehen vor Gericht, während Hauptkommissar Fuchs noch den Unfalltod seiner Schwester betrauert.

Allein in den vergangenen zwei Jahren kamen über 8000 Menschen auf Deutschlands Straßen ums Leben. Erschreckende Tendenz: Die Opfer von illegalen Straßenrennen nehmen zu. Kräftemessen ab der Ampel - Männer im Beschleunigungs-Rausch. Unkontrolliert getunte Wagen, die zu tödlichen Geschossen werden. Immer wieder schreckliche Unfälle.

Die Kölner Polizei hat deswegen die Sonderermittlungsgruppe "Rennen" ins Leben gerufen. Ihr Leiter ist Rainer Fuchs. Der 55-Jährige hat Verständnis für die legale Tuningszene: "Menschen, die ihr Auto zu einem Unikat machen möchten, die basteln und schrauben und viel Geld dafür ausgeben. Aber Raserei auf offener Straße? Illegale Straßenrennen? Ein absolutes No-Go!"

Sein Job ist Berufung, seine Arbeitszeit die Nacht. "Das Wetter ist gut, Wochenende - da ist die City in Bewegung." Rainer Fuchs und sein Kollege Ricky Lüders kommen mit Beschlagnahmungen kaum hinterher. Im Minutentakt quietschende Reifen, aufgemotzte Wagen, röhrende Auspuffe. Das Ergebnis einer Nacht: Ein illegales Straßenrennen gestoppt, sechs Autos stillgelegt, drei Raser erwischt, die mit über 90 Stundenkilometern durch die Innenstadt jagten. Dass die beiden Kommissare nicht noch mehr einkassieren, liegt schlicht am Papierkram, der bei jeder Abschleppaktion erledigt werden muss. Zermürbend. Aber Rainer Fuchs gibt nicht auf in seinem Kampf gegen illegale Autorennen. Denn er weiß selbst, wie schnell es zu einem verheerenden Unfall kommen kann. Seine Schwester starb durch einen Raser.

Die drei Raser gehören zur Hagener Tuningszene, sie wissen genau, warum sie mit ihren Autos nicht nach Köln fahren. Da würden ihre Wagen nämlich sofort einkassiert. Spontane Straßenrennen, behaupten die Tuner, seien für sie tabu. Aber an der Ampel, so geben sie zu, zucke schon mal der Gasfuß - sie wollen nur ungern in den Auspuff gucken. Ein Männerding, meinen sie, da schalte sich das Gehirn ab, und der große Zeh übernehme das Kommando.

Gerade läuft ein Gerichtsverfahren in ihrer Heimatstadt Hagen gegen zwei Raser, die sich im Mai 2016 ein illegales Rennen geliefert haben, mit bösen Folgen: fünf Schwerverletzte, darunter ein sechsjähriger Junge, der wochenlang im Koma lag. Bei der Gerichtsverhandlung ist das "37°"-Team dabei und lässt sich vom Hauptzeugen den Tathergang vor Ort zeigen. "Typen, die sich illegale Rennen liefern und solche Unfälle verursachen, schaden unserer Szene", sagen die Hagener Tuningfreunde. Die Polizei habe die Tuner verstärkt auf dem Kieker, würde immer wieder versuchen, ihnen die Wagen wegzunehmen. Das sei ungerecht, meinen sie, sie wollten doch nichts Böses.

Rainer Fuchs widerspricht dem nicht. "Aber viele überschätzen sich. Gefährlich sind vor allem Fahranfänger, die ihr ganzes Geld ins Tuning stecken, für ein höheres Selbstwertgefühl", sagt er. "Die ahnen gar nicht, was sie für ein Höllengeschoss steuern. Das können sie gar nicht kontrollieren. Das ist lebensgefährlich."

"37°" begleitet Hauptkommissar Fuchs nach Berlin. Im Bundestag wird er als Experte zu einem Gesetzesentwurf angehört. Union und SPD einigen sich, das Gesetz tritt in Kraft. Ab sofort sind illegale Straßenrennen keine Ordnungswidrigkeit mehr. Jetzt gelten sie als Straftat, die mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Rainer Fuchs findet das richtig. "Sonst steht es ja im Missverhältnis, wenn Menschenleben gefährdet oder sogar ausgelöscht werden, und die Täter kommen mit einer Bewährungsstrafe davon", sagt er.

"37°" porträtiert eine Generation von jungen Männern, die ein Ventil suchen, um auszubrechen aus unserer durchreglementierten Gesellschaft. "Die nutzen ihr Auto, um zu zeigen, dass sie wichtig sind und was sie können", sagt Rainer Fuchs. "Bewundernde Blicke und Frauen, die sie anhimmeln, geben ihnen das trügerische Gefühl von Männlichkeit und Macht." Dabei fährt das Risiko immer mit: Die mangelnde Selbsteinschätzung, die den Rest der Gesellschaft gefährdet.

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