Wir machen Schule

Wir machen Schule

GesellschaftsreportageD  

Sommer 2012, ein ehemaliges medizinisches Labor-Gebäude im Kölner Süden. Überall liegen noch Schutt, Deckenreste und alte Kabel. Neben verbeulten Laborschränken stehen nagelneue Tische und Stühle. Hier soll in wenigen Wochen eine Schule mit Unterricht starten, selbst wenn die Klassenzimmer noch keine Türen haben. Eine weiterführende Schule, gegründet von Eltern, die die schulische Erziehung ihrer Kinder selbst in die Hand nehmen wollen. Eine inklusive Schule für zunächst 78 Schülerinnen und Schüler, davon 20 mit besonderem Förderbedarf. Einer davon ist Samuel, 12 Jahre alt und geistig behindert. Eigentlich hat es ihm auf seiner Förder-Grundschule ganz gut gefallen. Auch wenn er dort oft gehänselt wurde, weil er noch Daumen lutscht und Sandmännchen mag. Als der Wechsel zur weiterführenden Schule anstand, haben ihm seine Eltern von der neuen Schule erzählt. Ein Jahr lang will er ausprobieren, ob ihm der gemeinsame Unterricht mit Nichtbehinderten gefällt. Ein bisschen skeptisch ist er schon. Und hat deswegen mit seinen Eltern vereinbart, dass er zurück an eine Förderschule darf, wenn es nicht klappt. Eines ist Samuel ganz besonders wichtig: 'Ich will, dass wir alle offen zueinander sind. Und ich werde dafür kämpfen, dass alle zurechtkommen. Weil ich Streit blöd finde. Wir sollen ein Team sein.'Sophie kommt von einer Kölner Realschule. Die Dreizehnjährige hat dort den Leistungsdruck nicht mehr ausgehalten. Für ihre Fragen zum Unterrichtsstoff hatten die Lehrer nie Zeit. Und sie fühlte sich gemobbt von ihren Mitschülern, die sich lustig über sie machten, wenn sie im Unterricht nicht so schnell mitkam. Schließlich ging sie nur noch mit schlimmen Bauchschmerzen in die Schule, schottete sich in der Klasse ab. Als ihre Mutter in der Zeitung von der Gründung der Privatschule las, wollte Sophie unbedingt wechseln. Kleinere Lerngruppen, mehr Betreuer, das kann nur besser werden.Fast alle Kinder an der Offenen Schule Köln erzählen von Leistungsdruck, von Stress und Frust an ihren alten Schulen. Und beginnen voller Hoffnung ihr neues und ganz anderes Schulleben. Nicht alles wird einfach werden: Auch die Kinder ohne Behinderung müssen sich umstellen, auch sie haben manchmal Angst vor dem, was sie erwartet. Wie werden LehrerInnen und SchülerInnen das neue Konzept umsetzen: Lernen nicht für die Schule, sondern nur für sich selbst?Ein Jahr haben die Autoren Samuel und Sophie begleitet, haben ihre Startschwierigkeiten, ihren für sie überraschend wiederentdeckten Spaß am Lernen und ihre Erfahrungen im ungewohnten Miteinander beobachtet.

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