Wem gehört der Osten?

Wem gehört der Osten?

Im Jahr 25 nach dem Fall der Mauer sind die großen politischen und ökonomischen Umbrüche in den neuen Bundesländern weitgehend abgeschlossen. Zeit Bilanz zu ziehen und die Frage zu stellen: Wem gehört der Osten? Und was ist aus dem von der DDR deklarierten Volkseigentum geworden?

Die Filetstücke sind weg. Aber so mancher Ladenhüter der Nachwendejahre hat sich gemausert. Die alte Hauptpost in Leipzig z.B.
ein exklusives Grundstück in bester Lage. Jörg Zochert und Holger Krimmling von der KSW GmbH haben den Blick fürs Wesentliche. Wenn es nach ihnen geht, sollen hier ein Hotel, edle Studentenunterkünfte und eine Luxusklinik entstehen. Diese Ideen sind ihrem englischen Investor 100 Millionen Euro wert. Die Hauptpost wäre nicht das erste Prestige-Objekt der KSW GmbH in Leipzig aber mit Abstand das bedeutendste. Zochert, in der DDR aufgewachsen, ist ein erfolgreicher Projektentwickler. Seit der Wende mischt er mit im Wettstreit um attraktive Grundstücke, renditeträchtige Projekte und aufstrebende Stadtlagen in seiner ostdeutschen Heimat.

Roland Ernst ist heute nur noch ein seltener Besucher in seinem Lieblingsprojekt, den Hackeschen Höfen in Berlin. Er gehörte zu den ganz Großen. Millionen hat er im Osten investiert. Die Hackeschen Höfe, die Galerie LaFayette, einige der ehemaligen Interhotels und sogar das Grundstück, auf dem der Berliner Fernsehturm steht, gehörten ihm kurzzeitig. Helmut Kohl persönlich hatte ihn gebeten dafür zu sorgen, dass im Osten schnell nach der Wende Kräne sichtbar würden. Roland Ernst sollte mithelfen, die Landschaften zum Blühen zu bringen und tatsächlich gehören seine Projekte - von den Treptowers in Berlin über die Beelitzer Heilstätten bis zu den Hackeschen Höfen - heute zu den Objekten, die für das Gesicht der neu sanierten ostdeutschen Städte stehen. Dass er mit Mieten und Renditen rechnete, die der neu eingeführte Kapitalismus im Land ohne Kapital nicht bringen konnte, führte ihn letztlich in die Pleite und zeitweise sogar ins Gefängnis.

Anders als im Westen Deutschlands leben die meisten Eigentümer ostdeutscher Immobilien nicht in den ostdeutschen Städten. Wohnungen in attraktiver Stadtlage sind oft Kapitalanlagen. In Sachsens Landeshauptstadt wurde 2006 der gesamte Bestand an kommunalen Wohnungen verkauft: 48.000 Wohnungen gingen an eine amerikanische Aktiengesellschaft. Dresden war damit schuldenfrei - aber was geschah mit den Mietern? Dirk Schmitt ist heute der Vertreter der Wohnungsgesellschaft und erklärt, wie das Geschäft der Plattenbau-Einkäufer funktioniert hat.

Aber nicht nur von den Großen im Haifischbecken erzählt "Wem gehört der Osten - die Stadt" sondern auch von der kleinen Kurstadt Bad Liebenstein, wo Anita Bohlig zweimal ihre Heimat verlor. Sie ist die Erbin der ersten Thüringer Keksfabrik, die ihr Großvater hier begründete und sie 1942 an die Nazis verlor. In der DDR dann wurde er enteignet und das Gebäude verfiel zusehends. Nach der Wende fiel das Grundstück mit der dazugehörigen Familienvilla an die Treuhand. "Meine Eltern und ich waren euphorisch. Wir wussten: Jetzt wird alles gut ..." gibt sie die Gedanken zur Wendezeit wieder. Anita Bohlig jedoch wird keine Heimat mehr in Bad Liebenstein finden. Die Keksfabrik wird an Bahlsen verkauft.

25 Jahre nach dem Ende der DDR strahlen die meisten ostdeutschen Städte in neuem Glanz, doch die Eigentumsverhältnisse erzählen noch immer viel über die Höhen und Tiefen des Privatisierungsprozesses, über Gewinner und Verlierer - bis heute.

Bewertung

0,0   0 Stimmen