Walter Kohl - Aus dem Schatten des Vaters

Walter Kohl - Aus dem Schatten des Vaters

'Ich bin raus auf den Schulhof und will schreien. Doch es kommt kein Ton raus. Das war der fühlbare Beginn einer tiefen Sprachlosigkeit.' So erinnert sich Walter Kohl an eine Kindheit im Ausnahmezustand. Verprügelt von Klassenkameraden, beschimpft wegen des Vaters. Zuhause zum Schweigen verdammt. Der Sohn vom Kohl. Bis ans Ende des Lebens - der Sohn. Was macht man aus so einem Leben? Für seine WDR-Dokumentation in der Reihe 'Menschen hautnah' hat Autor Stephan Lamby Walter Kohl auf einer Reise durch sein Leben begleitet. Walter Kohl spricht offen über ein Familienleben, das durch den Beruf und die Prominenz des Vaters geprägt war. Der Film ist zugleich eine Zeitreise durch das politische Deutschland der 80er und 90er Jahre - aus dem intimen Blickwinkel eines Mannes im Schatten der Macht. Und es ist die Geschichte eines Sohnes, dem es schließlich gelingt, aus dem Schatten herauszutreten. Jahrzehntelang hat Walter Kohl geschwiegen - über das Leben in einer Familie unter permanentem Druck: 'Wir haben alle gekämpft. Eine Wahl war für uns Kinder auch immer eine Abstimmung über unsere familiäre Zukunft. Eine schicksalhafte Situation, in der fremde Menschen darüber entschieden, wie es bei uns weitergeht.' Der Gedanke an Flucht ist Walter Kohl als Jugendlicher nie gekommen, der Gedanke an Selbstmord als Erwachsener sehr wohl. Nach der Spendenaffäre, nach dem Selbstmord seiner Mutter ('ohne die Spendenaffäre wäre sie nicht tot'), nachdem er und sein Bruder auch den Vater am Abgrund erlebten: 'So habe ich noch nie einen Menschen am Boden gesehen, so getroffen.' (Peter Kohl). Doch dann macht Walter Kohl vor drei Jahren plötzlich als Buchautor von sich reden, geht sogar in Talkshows. Seinen alten Beruf als Unternehmer lässt er ruhen, um sich bei Veranstaltungen ganz den Themen 'Versöhnung' und 'innerer Frieden' zu widmen. Wie kam es zu dieser Wende? Bei der Suche nach Antworten ist Autor Stephan Lamby mit Walter Kohl an wichtige Orte in dessen Leben gereist: So auch in den ehemaligen Kanzlerbungalow in Bonn, ans Grab seiner Mutter Hannelore. Dort hatte er ihren Abschiedsbrief verbrannt. Seine Mutter hatte ihn gebeten, sich um seinen Vater zu kümmern. Das Verbrennen des Briefes sollte Walter Kohl von seinem Auftrag befreien - ein symbolischer Akt und der erste Schritt in ein neues Leben. Lamby hat Walter Kohl auch bei dessen Veranstaltungen zum Thema 'Versöhnung' beobachtet. Walter Kohl möchte seinen Zuhörern Mut machen, auch ihre persönlichen Konflikte 'versöhnlich' zu lösen. Stephan Lamby hat bereits zahlreiche Filme über Helmut Kohl hergestellt, auch Hannelore Kohl hat er 1998 im Bonner Kanzlerbungalow interviewt. Für seine Dokumentationen wurde Lamby zuletzt unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis ausgezeichnet.

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