sind kein Leben

sind kein Leben

Die Fußballwelt steht still. 40.000 Menschen haben sich in der Hannoveraner AWD-Arena versammelt, in deren Mittelkreis ein Sarg aufgebahrt ist. Vor dem Stadion brennt ein Meer von Kerzen. Fünf Fernsehkanäle übertragen die Trauerfeier für Robert Enke live. Fünf Tage zuvor hat der Nationaltorwart an einem Bahnübergang in der Nähe seines niedersächsischen Heimatortes Selbstmord begangen. Das tragische Ende eines langen Leidensweges und eines viel zu kurzen Lebens. Robert Enke wird nur 32 Jahre alt. Nur Enkes Frau Teresa und seine engsten Freunde sowie einige wenige Ärzte hatten gewusst, dass der nach außen immer beherrschte und souveräne Modellathlet seit vielen Jahren an Depressionen litt. Nie hätte er es gewagt, seine Erkrankung im Big Business des Profisports öffentlich zu machen. In den folgenden Wochen entbrennt eine heftige und vielschichtige gesellschaftliche und mediale Debatte. Die Unmenschlichkeit und Brutalität des Profisports wird ebenso öffentlich angeprangert, wie die Tabuisierung der Krankheit Depression kritisiert. Die Oberflächlichkeit und Kurzlebigkeit des Medieninteresses wird von deren eigenen Vertretern selbstkritisch hinterfragt. Warum hat niemand etwas gemerkt? Warum konnte niemand helfen? Warum konnte sich Robert Enke nicht öffentlich zu seiner Krankheit bekennen und Hilfe suchen? War er ein Einzelfall? War er ein Opfer der Leistungsgesellschaft? Warum ist diese Gesellschaft scheinbar nicht lernfähig?

Im Sommer 2014, fünf Jahre nach Robert Enkes Tod, erschüttert wieder die Meldung vom Selbstmord eines Fußballprofis Deutschland. Am 18. Juli nimmt sich Andreas Biermann das Leben. Es ist sein vierter Selbstmordversuch. Auch er hat den Kampf gegen die Krankheit Depression verloren. Andreas Biermann ist einen anderen Weg gegangen als Robert Enke. Er hat seine Krankheit öffentlich gemacht, er hat sich in stationäre Behandlung begeben, er hat sich an die Medien und die Fans gewandt. Er hoffte auf Verständnis, auf Hilfe und Heilung. Er hoffte vor allem auf eine Rückkehr in den Profisport auch nach seinem Outing. Er wollte ein Zeichen setzen, doch viele seiner Hoffnungen wurden enttäuscht ...

Fünf Jahre nach Robert Enkes Tod und wenige Monate nach dem Selbstmord Andreas Biermanns will diese Fernsehdokumentation Bilanz ziehen und einen Ausblick bieten. Haben Trainer, Betreuer, Berater, Sportpsychologen, Verbände und Vereine keine Lehren gezogen aus einem vielleicht vermeidbaren Tod? Viele Vereine und die Nationalmannschaft arbeiten heute wie selbstverständlich mit Sportpsychologen. Die Deutsche Fußballliga macht die sportpsychologische Betreuung in den Nachwuchsleistungszentren zur Pflicht. Doch sind die Sportpsychologen wirklich Helfer der Schwachen, oder lediglich Leistungsoptimierer, die die Harten noch härter machen? Haben die Medien, die Fans und die Vereine heute mehr Verständnis und Nachsicht für die, die sich Schwächen erlauben und zeigen? Ist der Umgang mit Stress, Druck und den psychologischen Begleiterscheinungen bis hin zur Depression heute professioneller, achtsamer und toleranter? Andreas Biermann bekam nach seinem Gang an die Öffentlichkeit nie wieder einen Vertrag, bezeichnete den Schritt als den größten Fehler seiner Karriere. Markus Miller, der andere Torwart von Hannover 96, der es wagte, seine Depression öffentlich zu machen, konnte zurückkehren, ist heute wieder Torwart bei seinem Verein. Ein Zeichen?

Der Film wird sich all diesen Fragen, die sich nach dem Tod Andreas Biermanns so dringlich stellen wie in den Tagen und Wochen nach dem Tod Robert Enkes, von drei Seiten nähern: Von ganz oben, aus der Perspektive der Stars, derer, die es nach ganz oben geschafft haben, ins gleißende Scheinwerferlicht der Nationalmannschaftsauftritte. Von ganz unten, aus der Perspektive der jugendlichen Talente in den Leistungszentren und Fußballakademien, die alles tun, um sich ihren Traum von den 90 Minuten.

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