Schöne neue Gentechnik

Schöne neue Gentechnik

Ein neues biotechnisches Werkzeug, die Genschere CRISPR, revolutioniert die Gentechnik. Sie ist günstig und einfach anzuwenden - jeder Laborant kann damit ins Erbgut von Pflanzen eingreifen.
Mit CRISPR ist Gentechnik nicht mehr den großen Saatgut- und Chemiekonzernen vorbehalten. Mit der Genschere gelingen rückstandfreie, buchstabengenaue Eingriffe im Erbgut bei Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen, genannt "genome editing".
Die aktuellen Entwicklungen in der Gentechnik überschlagen sich, eröffnen Möglichkeiten, bergen Risiken - und zwingen uns zu Entscheidungen, die grundsätzlicher nicht sein könnten. Die biotechnischen Möglichkeiten zur Manipulation von Leben sind bereits in den Laboren rund um den Globus angekommen.
CRISPR funktioniert in praktisch jedem Organismus: in Hefen, Fadenwürmern und Zebrafischen, in Mäusen, in Pflanzen und eben in menschlichen Zellen. Genau das macht die Technik so chancen- aber auch risikoreich. Das Ergebnis der Genbearbeitung lässt sich nicht von Spontanmutationen in der Natur unterscheiden. Es bleiben keine Rückstände oder Reste von Genschnipseln im Genom. Entdeckt haben das Verfahren zwei Biochemikerinnen, Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley, und Emmanuelle Charpentier, die seit Oktober 2015 Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie ist.
In der Pflanzenzucht könnte CRISPR mit Anwendungen innerhalb der Artengrenze Agrarforscher und Biobauern versöhnen. Dabei werden anders als bislang keine artfremden Erbinformationen wie Bakterientoxine (wie bei Bacillus thuringiensis Bt-Mais oder Bt-Baumwolle) oder Antibiotikaresistenzen (wie bei Round-up Ready RR-Soja oder RR-Mais) in die Pflanzen-DNA gebracht. Erwünschte Eigenschaften erzielen die Züchter durch den Austausch von Genbausteinen innerhalb einer Art oder das An- und Abschalten von Genen. So könnte der Apfelschorf, eine Pilzerkrankung bei Äpfeln, die auch im Biolandbau nur durch den Einsatz von Kupfer und Schwefel in den Griff zu kriegen ist, größtenteils ausgemerzt werden, glaubt Cesare Gessler, Professor emeritus für Pflanzenpathologie an der ETH Zürich. Herkömmliche Züchtungsverfahren versuchen, durch Mutagenese und Kreuzungen die gleichen Ergebnisse zu erzielen, nur dauert dies wesentlich länger und geschieht teilweise unter Einsatz von Chemie und Radioaktivität wie etwa in den Laboren der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA nahe Wien.
Experten sagen, dass es selten eine Entwicklung gab, die sie derart elektrisierte. "Genome editing" trifft in all seinen Anwendungsgebieten mitten in die seit 40 Jahren hitzig geführte Auseinandersetzung mit Gentechnik. Führende Wissenschaftler sprechen von einem Paradigmenwechsel in der Bewertung der Gentechnik und fordern, künftig die Ergebnisse beziehungsweise Produkte zu bewerten und nicht die Verfahren, mit denen beispielsweise Pflanzen erzeugt werden. Die neue Technik steckt voller Möglichkeiten, bringt allerdings auch Risiken mit sich, die man noch längst nicht abschließend beurteilen kann. Auch mit der Gen-Schere lässt sich großer Unsinn treiben.

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