Schmerzfrei und geborgen

Schmerzfrei und geborgen

Gesellschaft und Soziales 

Der 72-jährige Werner Hinzmann hat nur einen Wunsch - er möchte zuhause sterben. Nach unzähligen Operationen und der Diagnose, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein, will er den letzten Lebensabschnitt in seiner gewohnten Umgebung und zusammen mit der geliebten Familie verbringen. Sein Krankenbett steht schon im Wohnzimmer zwischen Bücherregal, Fernseher und Blumentöpfen, mitten im Geschehen. Dass das überhaupt möglich ist, verdanken die Hinzmanns dem Palliativ-Team aus Leer, einer ostfriesischen Kreisstadt. 'Palliativ' bedeutet zu lindern, wo heilen nicht mehr möglich ist. Krankenschwester Traute Kobus und die Ärztin Magdalene Roth legen Werner Hinzmann einen Venenport, eine so genannte Schmerzpumpe an, über die er sich selbst ein speziell abgestimmtes Schmerzmittel verabreichen kann. Die Frauen vom Palliativteam sind oft hunderte Kilometer zwischen den Dörfern Ostfrieslands unterwegs, um die Schmerzen von Schwerkranken, meist Tumorpatienten im Endstadium, zu therapieren. Unbehandelt führten diese nämlich zwangsläufig wieder zu einer Krankenhauseinweisung durch die überforderten Angehörigen. Flächendeckend sollen demnächst solche Palliativteams mit Bundesmitteln unterstützt werden, um Krankenhäuser und Hospize zu entlasten und dem Wunsch der Patienten zu entsprechen, die ein Ende ohne Apparatemedizin wollen.

Auch Susanne Terveer erhofft sich durch die Schmerztherapie 'so lange wie möglich, so viel Lebensqualität wie möglich!' Die 48-jährige Lehrerin kann noch selbst in die Schmerzpraxis kommen, um begleitende Anwendungen wie Akupunktur und Massagen zu erhalten. Mit dem nahen Tod geht die Darmkrebspatientin erstaunlich gelassen um, findet Palliativschwester Traute Kobus. Sie selbst habe Mühe, die Distanz zu wahren, sagt sie, so nahe ginge ihr das Schicksal der gleichaltrigen Frau. Dennoch besprechen sie beim Hausbesuch ruhig die Pflegesituation und die Frage, wo Frau Terveer liegen möchte, wenn ihre Lebenskräfte zu Ende gehen sollten. Zwei ihrer Kinder gehen noch zur Schule, der Ältere sucht gerade einen Studienplatz, doch alle wollen, dass ihre Mutter zuhause bleiben kann. Wenige Tage später wird das Palliativteam plötzlich wieder zum Einsatz gerufen. Traute Kobus ist geschockt, als sie hört, dass es zu Susanne Terveer gehen soll.

Viel schneller als gedacht 'ist der Tod ins Haus getreten', sagt sie. Die Patientin ist zusammengebrochen und braucht nun eine perfekt abgestimmte Schmerztherapie. Im Hause Terveer sind alle versammelt, der Mann, die Kinder und sogar die Großmutter. Jetzt gilt es neben der medizinischen Versorgung im Wohnzimmer auch die richtigen Worte zu finden. Traute Kobus und Frau Doktor Roth sind also immer auch Seelsorger, die entscheiden müssen, was sie Patienten und Angehörigen zumuten können. Die Palliativärztin weiß um die Schwierigkeiten, denn oft werden in solchen Momenten noch einmal intensivmedizinische Maßnahmen getroffen. Susanne Terveer hat sich dagegen entschieden - in ihrer Patientenverfügung, der Handlungsgrundlage für die Ärztin. Dort steht, dass sie ein selbstbestimmtes Lebensende wünscht: schmerzfrei und geborgen - zuhause!

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