Saudi-Arabien - Ölmacht in der Krise

Saudi-Arabien - Ölmacht in der Krise

Gesellschaft und PolitikD  

Saudi-Arabien ist schon viel zu lange vom Öl abhängig. Das muss sich sehr bald ändern!" - Ahmed El Ohal, Vorstandsvorsitzender des petrochemischen Unternehmens SIPCHEM ist ganz deutlich: "Ich verstehe es als einen Warnschuss für uns, dass der Ölpreis fällt." - Vor allem die Jugend, die viel zu verwöhnt sei, müsse verstehen, dass die goldenen Zeiten des Ölbooms vorbei seien. Dass sich etwas ändern muss, spüren viele Menschen in Saudi-Arabien. Die konservative Monarchie am Golf hält ihre Bevölkerung seit Jahrzehnten in einem goldenen Käfig gefangen, in enger Abstimmung mit der wahhabitischen Geistlichkeit, einer extrem reaktionären Variante des Islam. Es gilt das islamische Recht der Scharia, das schon für geringe Vergehen drakonische Strafen vorsieht.

Aber das Land ist in Bewegung. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt, Hunderttausende junge Menschen haben in den USA oder Europa studiert und sind nicht bereit, die Spielregeln der Imame widerspruchslos zu befolgen. Zudem bröckelt der Ölpreis und damit die Garantie auf ein sorgenfreies Leben, das der saudische Staat seinen Bürgern bislang garantierte. Kronprinz Mohammed, der starke Mann des Regimes, dem sein greiser Vater, König Salman inzwischen weitgehend das Regieren überlässt, will das Land so schnell wie möglich nach seinen Vorstellungen umbauen. Er bekämpft Korruption und lässt kurzerhand Dutzende Prinzen festsetzen - und räumt damit auch missliebige Konkurrenten aus dem Weg. Auch der Klerus muss sich seinen Vorstellungen beugen und öffentliche Vergnügungen zulassen. So haben in den letzten Wochen erstmals seit Jahrzehnten wieder öffentliche Konzerte stattgefunden. Wirtschaftlich will Mohammed Saudi-Arabien in wenigen Jahren vom Öl unabhängig machen. Außenpolitisch hat sich das Königreich in einen blutigen Krieg im Jemen verstrickt. Das Land fühlt sich eingekreist vom Erzfeind Iran und dessen Verbündeten. Erleichtert begrüßten die Saudis daher die Ernennung Donald Trumps zum Präsidenten der USA, erhoffen sie sich von ihm doch eine Abkehr der iranfreundlichen Politik Barack Obamas. Der Westen steht dem Königreich ambivalent gegenüber: Einerseits ist Saudi-Arabien einer der wenig verbliebenen stabilen Staaten in der Region, andererseits sind massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Die Rechte der Frauen werden mit Füßen getreten. Immerhin wird ihnen jetzt zugestanden, künftig Autofahren zu dürfen. Doch an ihrer Grundsituation wird das nicht viel ändern. Die Verbindungen zwischen saudischen Bürgern und Terrororganisationen wie dem sogenannten Islamischen Staat bleiben undurchsichtig. Einem ARTE-Team um Filmemacher und Autor Michael Richter ist es nach Monaten zäher Verhandlungen gelungen, das Königreich zu bereisen. Dabei traf das Team auf verschleierte Frauen, die voller Ehrgeiz Karriere machen, Rapper, die vom ersten offiziellen Hip-Hop-Konzert in ihrer Stadt träumen und Wirtschaftsführer, die einen radikalen Umbau der saudischen Wirtschaft fordern. Die saudische Gesellschaft ist äußerst dynamisch und das Königshaus muss einen Weg finden, nicht nur die Geistlichkeit zu beruhigen sondern auch den Reformkräften Perspektiven zu vermitteln.

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