Saubere Luft - ein Menschenrecht

Saubere Luft - ein Menschenrecht

In Delhi ist die Luftverschmutzung greifbar, doch die Menschen haben dringendere Probleme. Dass Umweltverschmutzung ein Gesundheitsrisiko ist, zeigt sich oft erst Jahre später.

In Deutschland war die Luft vor 30 Jahren so schlecht wie in Indien heute. Jahrelang haben wir Ruß eingeatmet. Dann wurde die Luft dank einer verschärften Umweltgesetzgebung, die für die Schließung von Zechen und den Einbau von Filteranlagen sorgte, besser.

Heute streitet Deutschland erbittert über die Einführung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge.

Der Gerichtsmediziner und Pathologe Markus Rothschild beobachtet, dass die Lungen von kürzlich verstorbenen Menschen immer eine unnatürliche Veränderung aufweisen: schwarze Punkte oder großflächige Verfärbungen. Die Patienten sind an unterschiedlichen Krankheiten gestorben, zum Beispiel an Herzinfarkten oder Krebserkrankungen: "Das sind alles Nichtraucher gewesen, und trotzdem sehen die Lungen aus wie Raucherlungen. Alle Menschen, die länger in Großstädten leben, haben solchen Lungen. Sie sterben nicht alle an Lungenkrebs, aber solche Ablagerungen begünstigen andere Krankheiten", sagt Markus Rothschild.

Mediziner wissen heute viel mehr über die Wirkung von schlechter Luft. Christian Döring ist Kinderarzt und betreibt in Köln seine Praxis: "Familien mit kleinen Kindern können eigentlich nicht mit gutem Gewissen in Städten wie Köln, Stuttgart oder München leben. Großstadtkinder haben eine deutlich schlechtere Lungenfunktion als Kinder vom Land."

Doch auch auf dem Land hat man keine Garantie für saubere Luft. Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt räumt mit einem Vorurteil auf: "In den 70er-Jahren, da hat man den Smog zumindest im Ruhrgebiet und in Großstädten noch geschmeckt und gesehen. Aber der Feinstaub, den sehen wir mit dem bloßen Auge nicht mehr. Und dann sage ich den Leuten, das ist eine Gesundheitsgefahr für sie. Das ist in der Tat schwer zu vermitteln. Wir haben selbst im ländlichen Raum eine gesundheitsgefährdende Belastung."

Doch Wichmann-Fiebig wird von Ärzten und Toxikologen kritisiert. Das Umweltbundesamt solle mehr Ultrafeinstaub messen, so der Tenor. Die Sorge der Experten: Die kleinen Partikel sind noch gesundheitsschädlicher als "normaler" Feinstaub. Weil die vielen Partikel so eine große Oberfläche haben, können sie viel mehr Schadstoffe bis in Herz und Gehirn transportieren.

Überraschungen auch bei den Verursachern: Industrie und Verkehr sind nicht allein für die Emissionen verantwortlich. Holzkamine, die Landwirtschaft und das Wetter spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Professor Johannes Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz leitet die Forschungsgruppe für Atmosphärenchemie: "Die Landwirtschaft und vor allen Dingen die Massentierhaltung hat sich in den letzten Jahren zum größten Feinstaubemittenten Deutschlands entwickelt. Jeder, der Fleisch aus Massentierhaltung kauft, trägt entscheidend dazu bei, dass in der Atmosphäre Feinstaub gebildet wird." Dieser Feinstaub verteilt sich über das ganze Land.

Denn verschmutzte Luft verbreitet sich global: Wenn in Polen die Kohlekraftwerke hochgefahren werden, steigen westlich der Grenze die Feinstaub-Werte. Und selbst der Smog aus Delhi landet irgendwann bei uns. Sind Fahrverbote für Dieselfahrzeuge die beste Maßnahme? Oder lediglich Aktionismus, der vom eigentlichen Problem ablenkt?

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