Rabiat: Auf der Jagd

Rabiat: Auf der Jagd

Mit aller Kraft versucht der Jäger, das Messer durch das Becken des geschossenen Rehbocks zu rammen, aber er kommt nicht voran. Es ist schon spät und dunkel im Wald, nur die Scheinwerfer des Pick-Up-Trucks strahlen das tote Tier und die beiden Jäger an. Einer von ihnen hat "Waidmannsheil" auf den Unterarm tätowiert. "Der Bock war älter als gedacht. Je älter, desto mehr ist der Beckenknochen hinten drin verwachsen", sagt Jäger Max Götzfried. Deshalb ist das Aufbrechen des Tieres auch schwieriger. Sein Jagd-Kumpel zieht durch: Ein langer Schnitt hoch bis zur Kehle, dann holt er alle Eingeweide auf einmal aus dem Reh heraus. Waidmannsheil.

Jäger sein: Die einen sagen, das sei aktiver Naturschutz, Ausdruck einer tiefen, ehrlichen Liebe zum Wild, ein Akt des Respekts vor Fleisch und Tier. Das Schießen sei nur ein kleiner Teil des großen Ganzen. Kritiker dagegen halten diese Argumentation für mindestens widersprüchlich, manche nennen sie verlogen. Für sie ist die Jagd ein blutiges Freizeitvergnügen, ausgeübt von empathielosen Hobbyjägern, die vor allem aus einem Grund Tiere schießen: Weil es ihnen Spaß macht.

Jagd-Gegner wie Richard David Precht kritisieren unter anderem die geläufige Argumentation "Der Mensch hat nun mal einen Jagdtrieb" als eine längst überholte Meinung. Er findet es moralisch schwierig, ein Tier als Freizeit-Jäger freudig erregt zu beobachten, um es dann aus dem Hinterhalt abzuschießen.

Die Jagd polarisiert, sie regt viele auf. Und sie gewinnt immer mehr Anhänger. Mittlerweile haben über 380.000 Menschen in Deutschland den Jagdschein, so viele wie nie zuvor. Woher kommt dieser Anstieg? Wie schwierig ist es, einen Jagdschein zu erlangen? Und welche Argumente sind bei genauerem Hinsehen überzeugender - die der Jäger oder die der Jagd-Kritiker?

Um dem Thema möglichst nahe zu kommen, will Autorin Katja Döhne selbst den Jagdschein machen. Jagdschulen mit Crash-Kurs-Angeboten gibt es mittlerweile zuhauf. In einem Drei-Wochen-Intensivkurs im Wendland bereitet sich Katja Döhne auf die Jagdprüfung vor. Ob die Vorbereitung für das "Grüne Abitur" in so kurzer Zeit zu schaffen ist?

Auf ihrem Weg trifft die Autorin Menschen, die sich ein Leben ohne Jagd nicht vorstellen können. Familie Götzfried aus Frankfurt lädt in ihr Jagdhaus ein. Vater Roderich jagt seit 60 Jahren. Auch sein Sohn Max ist vom Jagdfieber gepackt, genau wie dessen Lebensgefährtin. Im Jagdhaus der Familie, bei einem gemeinsamen Ansitz und beim Zerwirken einer geschossenen Sau erzählen die Götzfrieds von ihrer Leidenschaft für die Jagd, ihren Beweggründen und ihrem Umgang mit der wachsenden Kritik. "Früher hatten die Leute mehr Respekt vor uns", sagt Roderich Götzfried. Heute gebe es immer mehr Auseinandersetzungen im Revier, mit Spaziergängern und anderen Jagd-Gegnern zum Beispiel.

Viele sehen die Jagd auch als nachhaltige Alternative zum Billigfleisch aus der Massentierhaltung im Supermarktregal. Sich sein eigenes Fleisch erjagen, das Tier eigenhändig aufbrechen und später das selbst geschossene Fleisch essen: Verantwortungsvoller kann man Fleisch gar nicht konsumieren, oder? Der ausgebildete Berufsjäger und Metzger Mark Junglas kämpft für einen bewussten Fleischkonsum auch bei Nicht-Jägern: In seiner Gläsernen Metzgerei in Köln können die Kunden dabei zusehen, wie aus dem toten Wild Wurst gemacht wird. Von der Jagd als Freizeitbeschäftigung hält Junglas zwar nicht mehr viel. Aber wenn schon Fleisch essen, dann ist Wild eine tiergerechte Alternative, meint er - solange es von vernünftigen Jägern geschossen wird.

Die Autorin Katja Döhne begegnet auf ihrer Reise für die Radio-Bremen-Reportage "Rabiat: Auf der Jagd" vielen kontroversen Meinungen. Ob sie ihre Frage "Fühlt es sich für mich richtig an, Tiere in freier Wildbahn zu schießen?" beantworten kann?

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