Noch sind wir da

Noch sind wir da

Gibt es eine Zukunft, wenn die Jungen gehen und nur die Alten bleiben? Wenn die Häuserpreise ins Bodenlose fallen? Kann man gegen den Niedergang etwas tun, wie der junge Bürgermeister glaubt? Das sind die Fragen, die die Bewohner des Städtchens Nieheim im Landkreis Höxter umtreiben. Jedes Jahr verliert der Ort rund achtzig Einwohner, die meisten sind unter dreißig. Und Nieheim ist überall in den ländlichen Regionen. Landflucht statt Landidylle. Historische Gebäude verfallen, Geschäfte müssen mangels Nachfrage schließen, Schulen werden nicht mehr gebraucht und das Geld für die Infrastruktur wird knapp. Was, fragen die Übriggebliebenen, wird aus uns? Hat Heimat keine Perspektive? Wie verändert sich das Leben in der Kleinstadt?. Die Alten versuchen, damit zurecht zu kommen: 'Klar kenn ich die, die sind tot', lautet der trockene Kommentar, wenn die zweiundneunzigjährige Maria Köhne mit ihrem Auto entlang leerstehender Häuser fährt. Sie ist eine der vielen Alten und Alleinstehenden hier. Ohne Auto käme sie nicht zurecht; sie will bleiben, bis es nicht mehr geht. Es gibt auch Vorteile. Der junge Bürgermeister Rainer Vidal kämpft gegen den schleichenden Niedergang. Den Bürgern muss er unangenehme Wahrheiten zumuten, die Ausgaben für Infrastruktur lasten auf immer weniger Schultern. Aber es gibt eben auch kleine Klassen - wenn die Schule noch existiert -, Kindergartenplätze und billige Häuser. Die jungen Familien müssen gehalten werden, offensiv wirbt der Bürgermeister um jeden Schulabgänger. 'Kommt zurück, es lohnt sich', so sein unerschütterliches Credo. Zeichen gegen den Trend. Landarzt Matthias Kross ist in seinen Heimatort zurückgekehrt, obwohl immer mehr Praxen auf dem Land schließen. Dazu muss man aber schon heimatverrückt sein, sagt er. Derzeit ist die Praxis mehr als ausgelastet, aber die langen Wege zu den Patienten auf den verstreuten Dörfern lassen ihm nicht viel Zeit für die Kranken. Ob seine Kinder die Entscheidung auf Dauer gut finden ist ungewiss, Jobs gibt es später für sie hier jedenfalls kaum. Ende der Idylle. Die ungute Mischung aus Strukturwandel und Bevölkerungsschwund hat die ländlichen Regionen im Westen Deutschlands voll erfasst. Wolfgang Minder beobachtet am Beispiel Nieheim die Menschen, die sich dagegen stemmen, die weggehen, die bleiben wollen und versuchen, fest zu halten, was sie als ihre Heimat empfinden.

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