Mitteldeutschland unterm Hakenkreuz

Mitteldeutschland unterm Hakenkreuz

Es waren keine professionellen Wochenschaukameramänner, die die Bilder vom Alltag in Mitteldeutschland während der NS-Zeit festhielten. Es waren Hobbyfilmer, die das normale Leben jenseits der offiziellen NS-Propaganda abbildeten: auf 8mm-Film und vor allem - die eigentliche Sensation - in Farbe! Das, wofür sie bereit waren, einen kostbaren Streifen Film zu opfern, wirkt zufällig, harmlos. Ein Mädchen hält ihre Puppe stolz in die Kamera, ein Bauer führt seine Pferde in die Saale zum sonntäglichen Bad. Eine Frau schält Obst und legt Gurken ein. Doch bei aller Privatheit ist die Politik allgegenwärtig: Beiläufig wird der rechte Arm zum Gruß gehoben, von jedem öffentlichen Gebäude, von jedem Ausflugsdampfer grüßt die Nazi-Fahne - und an beinahe jedem Wochenende gibt es irgendwo einen Aufmarsch mit Marschmusik: zum Betriebssportfest, zum 1. Mai, zum Erntedankfest.

Käthe und Erich Höse aus Leipzig heiraten im August 1939. Ihre Hochzeitsreise beginnt in Ratibor, heute polnisch Racibórz. Die Oder ist hier zwar schon fast 100 Kilometer lang, doch sie ist noch schmal, kaum schiffbar. Mit dem Finger fährt Käthe Höse auf der Landkarte schon einmal die Route ab, dann wird das Boot zu Wasser gelassen. Die Höses paddeln mit dem Strom nordwärts - Richtung Ostsee. Sie frühstücken im Morgengrauen, ein frei laufendes Huhn lässt sich mit Brotkrumen füttern. Lastkähne ziehen vorbei. Die große Freiheit in der Diktatur!

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