Landliebe statt Landfrust

Landliebe statt Landfrust

Junge Leute ziehen in die Stadt und die Infrastruktur im ländlichen Raum bricht weg. Das Dörfersterben ist in vielen Regionen Norddeutschlands ein Problem.

Doch es gibt Ausnahmen: In den Orten Oberndorf in Niedersachsen und Pinnow in Mecklenburg-Vorpommern lebt es sich so gut, dass die Einwohnerzahlen wachsen. Was machen diese Gemeinden anders? Wie kann der ländliche Raum für junge und alte Menschen attraktiv bleiben? Und wie kann dem Dörfersterben etwas entgegengesetzt werden?

Die NDR Autoren Felix Meschede und Babette Sdun haben die zwei Gemeinden besucht, die zeigen, wie es gehen kann, dass das Leben in kleinen Ortschaften aufrechterhalten bleibt.

Noch vor einigen Jahren drohte Oberndorf in Niedersachsen auszusterben. Im März 2014 schloss die Samtgemeinde die einzige Schule des Ortes mit 1.500 Einwohnern. Der Grund: zu wenige Kinder im strukturschwachen Einzugsbereich. Bis zuletzt hatten die Bewohner um den Erhalt gekämpft. Doch auch nach der Entscheidung gaben sie nicht auf. Ohne auf die Unterstützung des Staates zu warten, riefen die Oberndorfer in den letzten Jahren etliche Projekte zur nachhaltigen Dorfentwicklung ins Leben. Das zurzeit größte Vorhaben:

Ab August 2018 soll es in Oberndorf wieder eine Schule geben. Franziska Hartmann und Christian Beckmann sind selber gerade Eltern geworden und haben die Initiative einer freien Schule ins Leben gerufen. Das Konzept haben sie selbst erstellt: ein Schulsystem ohne Noten, ohne Fächer und feste Klassen.

Mit unermüdlicher Energie sammelt das junge Paar Gelder und wirbt für seine Idee. Mit Erfolg: Rund 100 Schüler sind für das neue Schuljahr ab August 2018 angemeldet, Lehrer und Schulleiter sind gefunden. Das alternative Lernsystem ist beliebt bei Eltern und Schülern, einige Familien ziehen für das neue Schuljahr aus den umliegenden Städten und Dörfern nach Oberndorf. Das junge Paar hat einen großen Kreis von Unterstützern und die Dorfgemeinschaft fiebert mit: Klappt die Finanzierung und kann die Schule im August eröffnet werden?

In Pinnow gibt es zwar auch keine Schule, doch an Nachwuchs fehlt es nicht. Der beschauliche Ort liegt ungefähr 20 Autominuten entfernt von Schwerin. Bis zur Wende lebten hier noch 300 Menschen. Nach der Wende wurde Pinnow aufgrund seiner attraktiven Lage an mehreren Seen und der Nähe zur Landeshauptstadt für viele zu einem attraktiven Wohnort. Vor allem besser verdienende Pendler zog es hierher, heute liegt die Einwohnerzahl bei 2.000. Doch bei dem rasanten Wachstum ist etwas auf der Strecke geblieben: das Dorfleben. Wie könnte es gelingen, den verschlafenen Ort wieder zu beleben und damit Lebensqualität zurückzugewinnen? Die Pinnower holten sich Rat von einem Institut aus Potsdam und entwickelten mithilfe von Umfragen ein gemeinsames Leitbild für den Ort.

Die ärztliche Versorgung, Anbindung durch den ÖPNV, Einkaufsmöglichkeiten im Ort und gemeinsame Aktivitäten wurden in den letzten Jahren geschaffen. Heute sind 17 Vereine und Gruppen im Ort aktiv und bieten den Einwohnern viele Angebote. Bürgermeister Andreas Zapf, der den Prozess seit Beginn begleitet, bringt es auf die einfache Formel: nicht nur wachsen, sondern auch zusammenwachsen.

Vor sechs Jahren wurde der kleine Nachbarort Godern in Pinnow eingemeindet. Der Ort liegt etwa drei Kilometer entfernt und ist über eine Sandstraße und eine Holzbrücke zu erreichen. Für die Gemeinde und für den verschuldeten Ort ist der Zusammenschluss auf dem Papier ein Gewinn. Doch noch scheint das vor allem die Gemeindevorsteher zu begeistern, die älteren Einwohner sind noch misstrauisch. Gemeinsame Aktivitäten sollen das Klima begünstigen. Und so wird in diesem Sommer das jährliche Dorffest nicht in Pinnow, sondern im neuen Ortsteil Godern stattfinden.

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