Höllenfahrt - Das Leben des Johannes R. Becher

Höllenfahrt - Das Leben des Johannes R. Becher

"Deutschland einig Vaterland" - mit dieser Zeile, die Johannes R. Becher für die Nationalhymne der DDR dichtete, fordern im Herbst 1989 Demonstranten den Fall des Staates, dem der Dichter mit aller Kraft gedient hatte. Diese Wendung der Geschichte passt zu dem "bis an den Abgrund" widersprüchlichen Politpoeten. Für die einen war Johannes R. Becher die Inkarnation eines Bonzen, ein sex - und alkoholsüchtiger Lebemann. Für andere war er ein selbstzweifelnder, sensibler Schriftsteller und gleichzeitig ein skrupelloser Opportunist. Thomas Mann und Alfred Döblin lobten Werke wie das Gedicht "Erinnerungswind" als groß und echt. Als junger Mann fühlt er sich von der expressionistischen Künstlerszene angezogen. Doch die Münchener Boheme reißt ihn auch in den Strudel der Morphiumsucht. Becher wird zum stadtbekannten Schnorrer und Junkie, der nachts auf den Parkbänken schläft. Schließlich landet er in einer Thüringer Klapsmühle bei Jena.
Erlösung findet er schließlich im Kommunismus. Becher, ab 1919 Mitglied der KPD, steigt in der proletarischen Partei, der es an bürgerlichen Umgangsformen und parteilichen Literaten fehlt, schnell ins Zentralkomitee auf. Die mörderischen Richtungskämpfe der Partei übersteht der Dichter, der die Kunst mit opportunistischem Geschick "bolschewisieren" will. 1949 schreibt er im Auftrag der SED den Text für die Nationalhymne der DDR, die selbstbewusst an die Einheit der Deutschen appelliert. Becher will den Kulturbund als gesamtdeutsche Organisation positionieren. Die Sowjets drängen auf seine Ablösung, doch Becher passt sich dem Ton des Kalten Krieges an.
1954 wird Becher erster Kulturminister der DDR. Das Amt hatte er Stalins Tod und dem 17. Juni 1953 zu verdanken. In einer kurzen Periode des Tauwetters sympathisiert Becher mit antistalinistischen Kräften. Schließlich lässt Ulbricht seinen Kulturminister absetzen. Am 11. Oktober 1958 stirbt Johannes R. Becher nach einer Krebsoperation. In einem seiner letzten Gedichte schrieb er: "Lasst bitte mich nicht in den Himmel ein, ich litte dort in eurem Paradiese noch mehr an Qual als in der Hölle Pein. Ich wähle die Hölle und begehre nur diese!"

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