Freital 1992 und 2018

Freital 1992 und 2018

Als MDR-Autor Axel Kaspar 1992 den Film "Freitaler Talfahrt - Reportage aus einer bedrohten Region" drehte, waren die Aussichten für die sächsische Industriestadt schlecht. Die Zukunft des Edelstahlwerks stand auf der Kippe, viele andere Betriebe waren schon geschlossen worden. Menschen, die über Jahrzehnte schwer geschuftet hatten, sahen sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Von einst 38.000 Beschäftigten standen 15.000 sofort auf der Straße. Die Wendeeuphorie war längst verflogen. Angst vor der Zukunft schien das dominierende Thema bei den Protagonisten, die Axel Kaspar befragte.

Bemerkenswert und bedrückend ist die Aussage der damals 25-jährigen Wirtin der Bahnhofskneipe von Freital-Deuben: Sie prophezeite einen deutlichen Rechtsruck, wenn das Problem Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen wird.

Heute, 26 Jahre später, und auch vor dem Hintergrund des gerade abgeschlossenen Prozesses gegen die "Gruppe Freital", bekommen diese Worte eine ganz eigene Bedeutung. Was hat die Nachwendezeit mit dem Ort und den Menschen gemacht und diese mit ihm? Ist die Talfahrt von Freital vorbei? Axel Kaspar - vielen MDR Zuschauern immer noch ein Begriff als bekannter DDR-Fernsehmacher, der auch die Wende-und Nachwendezeit intensiv journalistisch begleitet hat - ist noch einmal nach Freital gefahren und hat einige der Protagonisten von damals wieder getroffen.

Die 1992 weit vorausschauende Wirtin hat eine andere Gaststätte und zwei Söhne; ein Biobauer ist ihr vierter Ehemann. Noch immer ist die ehemals begeisterte junge Pionierin und Geschichtslehrerin politisch sehr interessiert und sagt, was sie denkt. Frau Bräuer, damals alleinerziehende Mutter mit zwei schulpflichtigen Kindern, gehörte zu den sehr schnell entlassenen 3.000 Mitarbeitern des Edelstahlwerks. Sie schulte zur Altenpflegerin um, in einem Pflegeheim ist sie nun mit den Sorgen anderer Menschen konfrontiert. Und nicht zuletzt das Edelstahlwerk: Dieses wurde 1993 von einem Mittelständler aus Siegen gekauft und bis heute erfolgreich weitergeführt. Nach wie vor ist es der größte Arbeitgeber der Stadt - mit nur noch, aber immerhin 700 Arbeitnehmern.

Bewertung

0,0   0 Stimmen