Dieses bunte Deutschland

Dieses bunte Deutschland

Es wird viel über sie geredet, aber selber zu Wort kommen sie selten: Flüchtlinge. Diese Langzeitdokumentation dagegen hat vier von ihnen ein Jahr lang mit der Kamera begleitet. Die Fremden werden weniger fremd, und am Ende wird deutlich, es geht schlicht um Menschen mit all ihren Macken und Liebenswürdigkeiten, Wünschen und Träumen.

Vier Flüchtlinge im Dorf, in zwei Kleinstädten und in Berlin. Da ist die Hausfrau aus Tschetschenien, die im brandenburgischen Groß Schönebeck von einer sicheren Zukunft träumt und durch ihre Arbeit im Dorfkindergarten nur ganz langsam das Vertrauen der Einheimischen gewinnt. Eine junge Studentin aus Syrien hat die Flucht auf die Schwäbische Alb verschlagen, in das Städtchen Leutkirch. Hier verfolgt sie mit schwäbisch-syrischer Zielstrebigkeit ihren großen Traum: ein Ingenieurstudium in Deutschland. Im sächsischen Pirna muss sich ein 17-jähriger Afghane behaupten, der Vater ist tot, die Mutter auf der Flucht verschollen. Zwischen Hass und Hilfsbereitschaft und mit Unterstützung seiner deutschen Ersatzmutter hofft er auf einen Ausbildungsplatz als Tischler. Und in Berlin kämpft ein Geschäftsmann aus Syrien darum, dass seine beiden kleinen Kinder aus dem Kriegsland zu ihm nachreisen dürfen; die Trennung von ihnen schmerzt, sein Glaube gibt dem Muslim Halt und Anschluss an einer Gemeinschaft. Dank des Internets gelingt es dem Syrer, neue Kontakte zu Deutschen zu knüpfen. Momentaufnahmen von vier Schicksalen, vier von einer Million. Ohne den Anspruch, repräsentativ zu sein. Ihre Geschichten werden mit einem ebenso präzisen wie nüchternen Blick erzählt. Interessiert und wohlwollend, aber ohne falsche Romantisierung.

Neben den vier geflüchteten Menschen geht es in dem Film auch um ihre deutschen Unterstützer: um die Pfarrersfrau in Brandenburg, die der Tschetschenin durch den deutschen Behördendschungel hilft; die neuen Freunde in Leutkirch, die der syrischen Studentin zur Seite stehen; die sächsische Ersatzmutter, die es nicht immer einfach mit "ihrem" jugendlichen Afghanen hat; und die Umzugsbekanntschaften des syrischen Vaters in Berlin. Wie begegnen sie den Fremden? Welche Missverständnisse gibt es? Wo kommen sie mit ihrer Hilfe an ihre Grenzen? Warum engagieren sie sich überhaupt für die Flüchtlinge?

Im eklatanten Gegensatz zu diesen eher Mut machenden Geschichten steht die offene Fremdenfeindlichkeit, die sich auf der Strasse und völlig enthemmt in den sozialen Netzwerken entlädt. Im Film werden Hasskommentare aus Facebook, Twitter & Co den dokumentarischen Porträts gegenüber gestellt. Von "Merkel muss weg" bis "Assiheime zu Konzentrationslagern" lassen die Zitate erahnen, wie sehr der Hass im Netz tobt, und wie unversöhnlich beide Seiten sind: hier die Geflüchteten und ihre Unterstützer, dort die meist anonymen Hetzer an den Computertastaturen.

"Dieses bunte Deutschland" liefert keine fertigen Antworten auf komplexe Fragen, sondern gibt einen sensiblen Einblick in das Leben von vier sehr unterschiedlichen Menschen, die nur eines gemeinsam haben, dass sie ihre Heimat verlassen mussten und nun einen mutigen Neubeginn wagen. "Mut ist Widerstand gegen die Angst", formuliert die syrische Studentin auf der Schwäbischen Alb ihr Motto.

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