Der Prozess der Lady Chatterley

Der Prozess der Lady Chatterley

Als Constance Chatterley in den Armen von Oliver Mellors, ihrem Wildhüter, die Lust entdeckt, verstößt sie gegen die Moral und die gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit. Vor allem aber entdeckt sie ihre eigene Stärke, entkommt ihrem Schicksal und nimmt ihr Leben in die Hand - eine Emanzipationsgeschichte. Die Zensoren hingegen reduzierten den von D. H. Lawrence 1928 geschriebenen Roman auf die anrüchige Geschichte einer wollüstigen außerehelichen Beziehung zwischen einer frustrierten Aristokratin und einem Proletarier. 1960 war das Buch in England noch immer verboten, als der Taschenbuchverlag Penguin beschloss, sich über die Zensur hinwegzusetzen und "Lady Chatterley's Lover" zu veröffentlichen. Die Britische Krone strengte auf der Grundlage des "Gesetzes über obszöne Publikationen" einen Prozess gegen den Verlag an. Aber was ist obszön an einer mutig-radikal formulierten Darstellung von geschlechtlicher Liebe? An einem mit derselben Leidenschaft gehaltenen Plädoyer für die Natur als Metapher menschlicher Sinnlichkeit? Handelt es sich nicht eher, wie der Bischof von Woolwich im Zeugenstand aussagte, um einen "Text, den alle Christen lesen sollten"? Was genau wirft man Constance Chatterley vor: ihre sexuelle Befreiung oder die scharfe Kritik an der britischen Gesellschaft? Im Verlauf des Prozesses entsteht Stück für Stück ein anderes Porträt von Lady Chatterley als eine Frau ihrer Zeit, die den ihr zugewiesenen Platz der Ehefrau und Adligen ablehnt und Freiheit anstrebt. Nach sechs Verhandlungstagen waren sich die Geschworenen einig: nicht schuldig! Binnen weniger Monate gingen über drei Millionen Exemplare von "Lady Chatterley's Lover" über die Ladentische. Ein Rückblick auf die Geschichte zeigt, dass dieser "Jahrhundertprozess" die sexuelle Revolution mit in Bewegung brachte, die in den 60er Jahren erst England und schließlich ganz Europa erfassen sollte.

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