
Der Kreuzworträtsel-Mord
"Tötungsverbrechen in Halle-Neustadt ist aufgeklärt". Hinter der knappen Meldung der Halleschen Tageszeitung vom 21. November 1981 verbirgt sich eine der wohl spektakulärsten Ermittlungsaktionen in der Kriminalgeschichte der DDR.
Am 15. Januar verschwindet ein siebenjähriger Junge aus Halle-Neustadt bei einem Kinobesuch, zwei Wochen später wird an einem Bahndamm ein Koffer mit seiner Leiche gefunden. Und mit zerknüllten Zeitungsseiten, auf denen sich ausgefüllte Kreuzworträtsel befinden. Alles andere als eine heiße Spur. Aber die einzige. In einer beispiellosen Aktion suchen die Ermittler nach dem Rätselfan: Hunderte Polizisten, freiwillige Helfer und MfS-Mitarbeiter gehen in Halle-Neustadt auf Klingeltour, um "individuelle Schreibleistungen" einzuholen, wie es im DDR-Polizeideutsch hieß.
Hartnäckige Verweigerer werden registriert, ihre Schriftproben werden konspirativ beschafft. Ganze Schwärme von Jungen Pionieren durchsuchen Abfallberge nach Altpapier, sämtliche Betriebe in Halle werden abgeklopft, sogar die Bestellscheine für den neuen Trabi werden gecheckt: Insgesamt werden über 500.000 Schriftproben ausgewertet. Nach zehn Monaten - kaum jemand glaubt noch an den Erfolg - sind die Ermittler endlich am Ziel. Eine Erfolgsgeschichte der Volkspolizei, die leicht modifiziert schon kurze Zeit später auch in der Reihe "Polizeiruf 110" zu bestaunen war.
MDR-Autor Gunther Scholz rollt die spektakuläre Fahndung an den Originalschauplätzen und mit einigen der Hauptakteure noch einmal auf. Entstanden ist eine Dokumentationen, die die umfangreichste und ungewöhnlichste Polizeiaktion in der Geschichte der DDR rekonstruiert - eine polizeiliche Ermittlung, wie sie wohl auch nur in einem geschlossenen Land wie der DDR möglich war.