Der Irrsinn mit der Milch - global, billig, ruinös

Der Irrsinn mit der Milch - global, billig, ruinös

Milch ist so billig wie nie. Dank moderner Agrartechnik und leistungsstarker "Turbokühe" können deutsche Landwirte viel mehr Milch produzieren, als hierzulande verbraucht wird. Überschüssige Milch wird zu Milchpulver verarbeitet, das war auch schon früher so. Bereits in den 70er und 80er Jahren war von Milchseen und Butterbergen die Rede. Was aber geschieht heute mit dem Überschuss? Export - so lautet das Zauberwort deutscher Agrarpolitiker. Sie ermunterten die Milchbauern, weltweit neue Märkte zu erschließen. Auch gegen den Preisverfall schien es ein probates Heilmittel zu geben: Die EU kauft im Rahmen der sogenannten Marktintervention in großen Mengen Milchpulver auf und lagert es ein. Auf 350 000 Tonnen Milchpulver wurde im Jahr 2016 die Interventionsmenge erhöht - Milch, für die es in Europa keine Abnehmer gibt. In Afrika gibt es sie: Die Nachfrage nach Milchprodukten ist dort in den vergangenen zehn Jahren rapide gestiegen, vor allem nach Milchpulver, das den größten Teil des europäischen Milchexports ausmacht. Für Länder wie Kamerun zum Beispiel hat die Milchschwemme aus Europa verheerende Folgen. Denn vielversprechende Ansätze eigener Milchwirtschaft werden im Keim erstickt. Molkereien, zum Teil sogar finanziert von europäischen Entwicklungshilfegeldern, stehen leer, weil die Bauern keine Milch anliefern. Denn sie wissen, dass ihre Milchprodukte mit denen aus Europa, die ja indirekt subventioniert werden, preislich nicht konkurrieren können. "Das ist nicht fair", sagt Hayatou El Hadji Souley, ein kamerunischer Milchproduzent. "Wir müssen doch unsere heimische Produktion steigern, um die Lebensbedingungen der Menschen hier zu verbessern." Genau das fordern auch deutsche Entwicklungshilfe-Politiker: Die Lebensbedingungen im subsaharischen Afrika sollen verbessert werden, damit die Menschen nicht als Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa kommen. Aber gleichzeitig torpediert unsere Agrarpolitik ihre Anstrengungen, im eigenen Land eine Perspektive zu erwirtschaften. Der Irrsinn mit der Milch geht aber noch weiter: Auf der Euro-Tier Messe in Hannover, der weltweit größten Messe für Nutztierhaltung, erfährt "ZDFzoom"-Reporterin Katarina Schickling, dass Kälber in unserer modernen Landwirtschaft keine Milch mehr bekommen, stattdessen Ersatzstoffe aus Pflanzenöl, zum Beispiel aus dem umstrittenen Palmöl. Denn für die Kälber ist selbst die Billigmilch immer noch zu teuer. Für Landwirt Erwin Reinalter aus dem Allgäu gab es keinen Ausweg mehr aus den roten Zahlen. Trotz aller Anstrengungen, seinen Betrieb immer wieder zu modernisieren, trotz Marktintervention. Die letzten Milchkühe musste er verkaufen, nur ein paar Kälber bleiben. 50 Cent für den Liter Milch - das hätte gereicht, um seinen Hof zu retten. Doch das hätte auch für den Verbraucher einen höheren Preis an der Supermarktkasse bedeutet. Mit Preisdumping - so das Fazit der Dokumentation - ist eine gesunde Milchwirtschaft, die keine Verlierer hinterlässt, nicht zu haben. Mehr unter zoom.zdf.de

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