Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs: Wer hat versagt?
Am 3. März 2009 kurz vor 14 Uhr stürzt das Kölner Stadtarchiv mit einer riesigen Staubwolke in die Baugrube der neuen Nord-Süd-U-Bahn. In einem gegenüberliegenden Gymnasium sitzen noch 200 Schüler in der siebten Stunde. "Wäre das Archiv nur eine Viertelstunde später eingestürzt, zum Schulschluss, hätten wir sicher viele tote Kinder zu beklagen." Dieses Schreckensszenario verfolgt den damaligen Schulleiter noch heute.
Es ist der Einsturz eines der größten Stadtarchive nördlich der Alpen. Zwei Anwohner eines benachbarten Hauses kommen dabei zu Tode. Dokumente von unschätzbarem Wert, Jahrhunderte alt, versinken in Schlamm und Schutt. Wie konnte es zu solch einer Katastrophe kommen?
In einem der kostspieligsten Strafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte soll die Schuldfrage geklärt werden. Gerade noch rechtzeitig vor der drohenden Verjährung. Am Ende wird ein Bauüberwacher der Kölner Verkehrsbetriebe verurteilt - zu einer Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Der Angestellte, erst seit Kurzem mit dem Projekt betraut, als einzig Verantwortlicher für zwei Tote und einen Milliardenschaden? Selbst die Kölner Staatsanwaltschaft ließ durchblicken, dass die Schuldfrage mit dem Urteil nicht befriedigend geklärt ist. Die eigentlich Verantwortlichen, so sahen es Prozessbeobachter und viele Bürger, fehlten auf der Anklagebank. Zum Beispiel diejenigen, die es unterlassen hatten, bei einem Projekt dieses Ausmaßes für eine unabhängige Bauaufsicht zu sorgen. Die hatte man der Stadt Köln und den städtischen Verkehrsbetrieben überlassen. Sie kontrollierten sich auf diese Weise selbst - und waren damit offenbar überfordert.
Wer für den Milliardenschaden beim Archiveinsturz aufkommen muss, ist noch nicht geklärt. Der Zivilprozess hat noch nicht einmal begonnen. Doch Stadtverwaltung, Rat und Kölner Verkehrsbetriebe planen schon die nächste milliardenteure U-Bahnstrecke durch die Kölner Innenstadt.
Zum 10. Jahrestag des Archiveinsturzes fragt die Story nach Fehlern in der Projektsteuerung und nach der Verantwortung für entscheidende Weichenstellungen im Hintergrund. Sie durchleuchtet das Geflecht von strukturellem Versagen, wegdelegierter Verantwortung und Selbstüberschätzung, das den Traum von 4 Kilometern U-Bahn in eine Katastrophe münden ließ.