Das schweigende Mädchen

Das schweigende Mädchen

Ein erboster Bürger springt aus seinem Sitz in der ersten Reihe und macht seinem Unmut Platz. Ein Mord am helllichten Tag, die Leiche ist noch frisch und niemand hat was gesehen, niemand hat was gehört, niemand weiß etwas. Prophezeiungen von schwarz vermummten Todesengeln und anderen Propheten, eine rätselhafte Jesusgestalt und im Zentrum ein cholerischer Richter, dem oft nicht mehr übrig bleibt als das Ende eines weiteren Prozesstages festzustellen und wenig hoffnungsvoll zu verkünden, dass ja immerhin morgen auch noch ein Tag sei. Was hier verhandelt wird ist episch, biblisch, deutsch und unangenehm. Der NSU-Prozess mit seiner prominentesten Angeklagten: Beate Zschäpe. Sie dient als Folie und sie ist das schweigende Mädchen, taucht aber als Figur im Stück nie auf. Die, die alles wissen sagen nichts, nicht nur Zschäpe, auch die mitangeklagten vermeintlichen Unterstützer, allen voran die Verfassungsschützer. Die anderen reden sich um Kopf und Kragen, mäandern durch Prozessakten, Medienberichte, die Bibel, Schlagzeilen, Slogans und kalauern sich im besten Jelinekschen Sinne zu erschütternden Wahrheiten über das deutsche Wesen und die Absurdität des NSU-Prozesses. Der Finale Schlussakt, der anscheinend nie zu einem Ende kommen wird, für zwölf Jahre des Mordens und zehn Tote: Alle reden, nur das Mädchen schweigt.

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