
Brandmale - Darmstadt und die Bombennacht
Am 11. September 1944, kurz vor Mitternacht, wird das südhessische Darmstadt aus dem Schlaf gerissen. Als die Sirenen aufheulen, wissen die Bewohner noch nicht, dass dieser Luftalarm völlig anders ausgehen wird, als die unzähligen Male zuvor. In einem bis dahin noch nie ausgeführten Fächerangriff überfliegen mehrere hundert viermotorige Bomber die Stadt und werfen neben vielen Luftminen und Sprengbomben 300.000 Brandbomben ab. Innerhalb einer halben Stunde brennt die ganze Stadt. 12.000 Menschen kommen bei diesem Angriff ums Leben, achtzig Prozent der Bevölkerung verlieren in dieser Nacht alles, was sie besessen hatten. Trotzdem hält die 'Heimatfront' auch in Darmstadt. Auch hier sehen die Menschen den sich abzeichnenden Sieg der Alliierten nicht als Befreiung, sondern als Niederlage. Gleich am nächsten Tag beginnen die Aufräumarbeiten. Überall werden Leichen geborgen und Tonnen von Schutt abtransportiert. Tausende Darmstädter werden evakuiert und können oft erst Jahre nach dem Krieg in ihre Heimatstadt zurückkehren. Angriffe von Tieffliegern und der meist nicht sehr willkommene Empfang durch die Landbevölkerung stehen ihnen noch bevor. Erst jetzt, mehr als sechs Jahrzehnte später, sind viele von ihnen in der Lage, offen über die Geschehnisse von damals zu reden - über Verlust und schmerzhafte Erinnerungen. Damals blieb zum Trauern meist keine Zeit, schnell holte der Alltag sie wieder ein, unangenehme Fragen wurden beiseitegeschoben. Heute dagegen denken sie darüber nach, warum dies alles geschehen war und darüber, ob nicht auch die Bomben von Darmstadt nur eine Folge der Gräueltaten waren, die vorher von deutschem Boden ausgingen. Die Filmautoren Jutta und Christian Gropper haben mit höchst unterschiedlichen Zeitzeugen gesprochen. Manche von ihnen waren damals noch Kinder, andere hatten bereits selbst welche. Wieder andere sahen die Zerstörung ihrer Heimatstadt mit sehr gemischten Gefühlen, in die sich zuweilen auch schmerzhafte Genugtuung mischte: jüdische Darmstädter, die sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten und nach 1945 in jene Stadt zurückkamen, die sich als eine der ersten gerühmt hatte, 'judenrein' zu sein. In Großbritannien haben die Filmautoren Zeitzeugen getroffen, die die deutsche Bombardierung ihrer Heimatstadt Coventry überlebt haben, und sie haben einen britischen Bombernavigator aufgesucht, der sich erst nach dem Krieg bewusst wurde, welche verheerende Wirkung seine Bombenlast auf die unzähligen Menschen unten am Boden hatte. Darmstadt steht für viele weitere Städte, die im zweiten Weltkrieg ein ähnliches Schicksal erlitten haben, ob Kassel, Pforzheim, Hamburg oder Dresden, Warschau, Rotterdam oder Coventry. Der Film 'Brandmale - Darmstadt und die Bombennacht' zeigt, was die Folgen eines Krieges ein ganzes Leben lang in den Köpfen und den Herzen der Überlebenden und auch ihrer Nachkommen hinterlassen können.