Auf dem Ob durch Sibirien

Auf dem Ob durch Sibirien

LandschaftsbildD  

Sibirien hat viele Gesichter, aber wer verbindet es schon mit einem der bedeutendsten Opernhäuser Russlands, mit reichen Öl- und Gasregionen, Luxus und Wohlstand. Und mit Wissenschaft, die den Vergleich mit westlichen Forschungseinrichtungen nicht fürchten muss.

Die Flussreise beginnt in Salechard. Hier holen Öl-und Gasarbeiter den Reichtum Sibiriens aus dem Boden. Kontraktniki wohnen zwei Monate in engen Bauwaggons und kehren dann ins 3000 Kilometer entfernte Wolgograd oder nach Weißrussland zurück. Hier verdient man besser, erzählen sie.

Inzwischen ist man aber auch in Russland überzeugt, dass die Umwelt geschützt werden muss. Seit zehn Jahren gibt es eine staatliche Naturaufsicht, die mit Drohnen Ölverschmutzungen und lecke Leitungen aufspürt und die Verursacher zur Kasse bittet.

Dass Westsibirien reich ist, sieht man auch in Chanty-Mansijsk. Hier hat Gazprom ein futuristisches Gebäude errichten lassen, eine Schachakademie für Kinder. Schon Sechsjährige spielen hier Schach, Unterrichtsfach in der Schule wie Mathe und Englisch. "Ich habe schon im Kindergarten angefangen", erzählt der sechsjährige Kirill. Seine Eltern sind zufrieden. "Seit der Kleine Schach spielt, ist er nicht mehr so zapplig und kann besser denken", sagt der Vater.

An Bord sind Deutsche auf Expeditionsreise. Edeltraud steht schon seit Stunden an der Reling und starrt in die Weite. Die Berlinerin hat sich einst als junge Frau in einen russischen Offizier verliebt, traf sich mit ihm in Potsdam und Fürstenwalde. Doch als sich das rumsprach, galt deutsch-sowjetische Freundschaft nichts mehr. "Er wurde nach Sibirien geschickt", sagt sie. "Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört".

Verbannung nach Sibirien ist kein Phänomen der Sowjetzeit. Schon unter dem Zaren wurden Missliebige, wie Dostojevskij, dorthin verfrachtet. Das Schiff hält in Berjosovo, einem kleinen

Städtchen mit einer schönen, goldglänzenden Kirche. Fürst Menschikov, Günstling Peters des Großen, wurde nach dessen Tod nach Berjosovo verbannt. Er ließ die Kirche errichten, an der Spitze ein Engel, nachgebildet dem Engel auf der Petersburger Peter-und Paul-Festung, Ausdruck der Sehnsucht des Fürsten nach der Zivilisation, in die er nie zurückkehren durfte. Er starb in Berjosovo. Regelmäßig zündet Galina Maslakova eine Kerze in der Menschikow-Kirche an zum Angedenken an ihre Großeltern, die in den dreißiger Jahren in das verschlafene Nest verbannt wurden. Sie schrieben an Stalin und Molotov, erzählt sie, aber rehabilitiert wurden sie erst in den 1990er Jahren.

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