Asbest - Die tödliche Faser

Asbest - Die tödliche Faser

Asbest war einst die Wunder-Faser und kam bis in die frühen 90er Jahre massiv zum Einsatz. Sie steckt heute noch in Millionen Immobilien und Baustoffen aller Art: In Bodenbelägen, Heizungssystemen, Wandisolierungen, Dachkonstruktionen und ungezählten anderen Stellen. Sogar in Textilien wurde Asbest verarbeitet, vor allem in Schutzkleidung. Es galt als das perfekte Material: leicht, stabil und hitzebeständig, säureresistent, gut zu verarbeiten, beliebig formbar und zudem noch preiswert.
Die schrecklichen Folgen werden erst viele Jahre später entdeckt: Asbest kann hoch aggressiven Krebs verursachen, der nahezu immer tödlich verläuft. Nach langem Kampf mit den verschiedenen Interessengruppen wurde Asbest 1993 in Deutschland verboten, 2005 in der gesamten EU.
Doch erst jetzt, Jahrzehnte später, holen uns die Folgen des damaligen massenhaften Einsatzes richtig ein. Und deshalb ist das Thema heute aktueller denn je. Die Wissenschaft ist inzwischen sicher, dass die Latenzzeit von Asbesterkrankungen wie Lungenkrebs, Asbestose oder Mesotheliome 30 oder sogar 40 Jahre betragen kann.
Jedes Jahr erkranken alleine in Deutschland 3.500 Menschen neu daran. Und der Höhepunkt ist noch nicht einmal erreicht. Nach Einschätzung von Experten wird die Zahl der betroffenen Menschen im schlimmsten Fall bis 2025 weiter steigen und erst danach wieder langsam zurückgehen. Asbest hat ganze Familien ausgelöscht und wird dies auch künftig tun.
Nicht nur die Arbeiter von damals waren und sind gefährdet, sondern auch deren Familienangehörige. Frauen und Kinder, die zum Beispiel mit der Arbeitskleidung und dem damit verbundenen Staub in Kontakt kamen. Selbst in geringen Dosen kann Asbest stark krebserregend sein. Es gibt keinen Mindestwert, den man einatmen muss, um schwer zu erkranken.
Eigentlich wäre es die Aufgabe der Berufsgenossenschaften, die betroffenen Menschen zu unterstützen und ihnen bei ihrem meist aussichtslosen Kampf gegen den Krebs wenigstens die finanzielle Not zu nehmen. Doch 80 Prozent aller Lungenkrebserkrankten mit Asbest-Verdacht bekommen keine Entschädigung. Der Grund: Sie müssen den Zusammenhang zwischen Asbest und dem Krebs selbst beweisen. Nach 30 und mehr Jahren ist das aber in der Regel gar nicht möglich. Häufig sind die Firmen geschlossen oder die uralten Betriebsakten vernichtet. Sogar die Berufsgenossenschaften selbst beseitigen alte Akten, die bei ihnen vorliegen. So müssen die Opfer trotz ihrer schweren Krankheit jahrelang vor Gericht kämpfen, häufig vergebens. Viele versterben im Laufe der zermürbenden Auseinandersetzung. Wird hier zynisch mit der begrenzten Lebenszeit der Opfer kalkuliert?

Dazu kommt: Was damals verbaut wurde, steckt auch heute noch in Millionen Gebäuden. Experten schätzen, dass mindestens 60 Prozent aller älteren Häuser mit Asbest belastet sind. Viele davon werden zur Zeit im Rahmen eines Generationenwechsels verkauft oder vererbt. Solange der Stoff fest verbaut ist, kann nicht viel passieren. Aber bei Renovierungsarbeiten können die Fasern leicht freigesetzt werden. Viele Immobilienkäufer tappen hier in eine große Kostenfalle. Denn die ordnungsgemäße Beseitigung und Entsorgung kann schnell Tausende Euro zusätzlich kosten. Wird Asbest unwissentlich oder aus Kostengründen unsachgemäß entfernt, dann drohen schwere Gesundheitsgefahren. Auch bei öffentlichen Gebäuden kann ein Asbestfund alle Kalkulationen über den Haufen werfen.
Und noch ein großes Problem: Asbest ist zwar in Europa verboten, doch jenseits der EU-Grenzen sieht es ganz anders aus. In vielen Ländern der Welt läuft die Produktion weiter auf Hochtouren. Asbest wird in Entwicklungsländer exportiert - wo die Ärmsten der Armen in Zukunft schwer erkranken werden. Ein zynisches Geschäft.
Die SR-Autorinnen Sigrid Born und Nicole Würth haben sich auf Spurensuche begeben und mit ihrem Kamerateam betroffene Familien und Expert/innen besucht und befragt. Ihr Fazit: Auch wenn Asbest in Deutschland schon lange verboten ist: Die lebensgefährliche Faser ist immer noch überall präsent. Und die Gefahr ist noch lange nicht vorbei.

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