Anatomie eines Mordes

Anatomie eines Mordes

Eine verschlafene Kleinstadt in Michigan wird durch einen Mord erschüttert: Der hoch dekorierte Soldat Frederick Manion hat den Barbesitzer Barney Quill erschossen, nachdem dieser Manions Frau Laura vergewaltigte. Laura gewinnt den örtlichen Rechtsanwalt Paul Biegler für die Verteidigung ihres Mannes. Doch schon ihr freizügiger Auftritt und ihr Flirten zeigen Biegler, dass der Fall nicht einfach wird: Manions Jähzorn ist bei der Armee aktenkundig; die Misshandlungsspuren in Lauras Gesicht geben Zeugnis von seiner Gewaltbereitschaft; zudem hat der Amtsarzt bei Laura keine eindeutigen Spuren einer Vergewaltigung gefunden; und schließlich handelte Manion, nachdem er von der Vergewaltigung erfahren hatte, nicht unmittelbar im Affekt, sondern mit einem kleinen, entscheidenden zeitlichen Abstand.

Claude Dancer, der aufstrebende Staatsanwalt aus der nächstgrößeren Stadt, plädiert deshalb auf vorsätzlichen Mord und zieht Lauras Glaubwürdigkeit in Zweifel. Biegler seinerseits kratzt am unbescholtenen Ruf von Manions Opfer, dessen dunkle Seite in der Kleinstadt niemand gekannt haben will.

Während Biegler auf "temporäre Unzurechnungsfähigkeit" bei einer Handlung im Affekt plädiert, steht für den Staatsanwalt fest, dass Laura mit ihrem aufreizenden Verhalten mitverantwortlich für das Geschehen sei und ihr Mann aus purer Eifersucht gehandelt habe. Je tiefer sich alle Beteiligten in den Fall eingraben, je länger die Verhandlung dauert, desto komplizierter und ambivalenter erscheinen alle Motive und Handlungen. Die Wahrheit löst sich in einer immer feiner schattierten Grauzone auf.

"Anatomie eines Mörders" mit der Musik von Duke Ellington und der Poster- und Titelgestaltung von Saul Bass gilt vielen als bestes Justizdrama der Filmgeschichte. Preminger und seinen exzellenten Darstellern gelingt es, aus einem scheinbar einfachen Mordfall das Porträt einer Gesellschaft - und ihrer Segmente wie der Armee, der Kleinstadt, der Jurisprudenz - zu entwickeln. Der Film entfaltet dabei seinen ganz eigenen Sog, indem er den Protagonisten immer größere Ambiguitäten zumutet. Bis das Bild so reichhaltig, aber auch so widersprüchlich ist, dass sich die Wahrheit immer schwerer erkennen lässt.

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