Afghanistans verkleidete Mädchen

Afghanistans verkleidete Mädchen

DokumentationDeutschland  

Wenn Rosmana von der Schule nach Hause kommt, wechselt sie nicht nur ihre Kleider, sondern auch ihren Namen. Aus dem zwölfjährigen Mädchen wird ein Junge namens Mohamed, der dem Vater in seiner Autowerkstatt im Zentrum von Masar-i-Scharif hilft. Toheba, Rosmanas 14-jährige Schwester, arbeitet dort den ganzen Tag, der Vater lässt sie nicht mehr zur Schule gehen, deshalb zieht Toheba schon seit langem kein Kopftuch mehr über ihre kurzen strubbeligen Haare. Aus Toheba ist Shafi geworden, ein "Bacha Posh", wie die Afghanen sagen, ein Mädchen "als Junge verkleidet".

Niemand weißgenau, wie viele afghanische Mädchen ihre Kindheit so verbringen wie Rosmana und Toheba. Es ist eine jahrhundertealte Tradition in dieser rauen, noch ganz von Männern dominierten Kultur. Indem sie ihre Töchter zu Jungen machen, können afghanische Mütter dem Stigma entgehen, keine Söhne geboren zu haben. Zalmai hat neun Töchter, die jüngste ist zwei Jahre alt, die älteste ungefähr sechzehn; keiner weiß das so genau, denn in Afghanistan schreibt niemand das Geburtsdatum eines Kindes auf. Nur das Geschlecht zählt, auch heute noch gelten Töchter in diesem Kulturkreis wenig. Wer nur Töchter hat, gilt sogar als bedauernswert.

Doch es ist nicht nur die Schande, es sind auch wirtschaftliche Probleme, die sich mit einem Bacha Posh besser bewältigen lassen. Seitdem Zalmai seine beiden Töchter Toheba und Rosmana als Jungen verkleidet, hat er zwei tüchtige Gehilfen in seiner Werkstatt. Anders als die Schwestern, die mit der Mutter hinter hohen Mauern leben müssen und allenfalls zum Schulbesuch das Haus verlassen dürfen, haben die beiden Bacha Posh Zutritt zur Männerwelt der Autowerkstatt.

Nur in der Schule weißniemand von diesem Doppelleben. Dort trägt Rosmana ein weißes Kopftuch und schwarze Kleider wie alle Mädchen. Und Toheba, die langsam zur Frau heranreift, wird es zunehmend peinlich, ein Junge zu sein. Der Vater hat bereits eine jüngere Schwester ausgewählt, die als Bacha Posh an ihre Stelle treten soll: Die sechsjährige Basur soll künftig im Laden helfen, Einkäufe erledigen - all das tun, was traditionell zu den Aufgaben eines Sohnes gehört und Mädchen nicht erlaubt ist.

Die Filmemacherinnen Katrin Eigendorf und Shikiba Babori sowie der Kameramann Michael Pohl haben Rosmana und Toheba in ihrem Alltag mit der Kamera begleitet. Sie haben hinter die Maskerade eines afghanischen Verkleidungsspiels geschaut, das zwar von einigen kritisiert, in der Regel aber geduldet wird. Die Autorinnen sprechen mit Mitschülerinnen, Lehrerinnen, Jungen und den Geschwistern der Bacha Posh. Vor allem aber kommen diese selbst zu Wort. Die Dokumentation wagt einen sehr direkten Blick in eine Gesellschaft, die sich Fremden oft verschließt und in der sich das Familienleben hinter hohen Mauern abspielt.

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