Weihnachtsansprachen von Bonn bis Bellevue

Weihnachtsansprachen von Bonn bis Bellevue

Advent, Advent

09.12.2013 - 14:11 Uhr

Sänger

Der Eindruck täuscht: Dies ist nicht Enrico Pallazzo, der gleich ein Weihnachtslied singen wird, sondern Joachim Gauck bei seiner ersten Weihnachtsansprache

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch die obligatorische Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten zu uns ins Haus, um uns - bzw. die nicht allzu zahlreichen Zuschauer, die zu Weihnachten tatsächlich bereit sind, sich eine Politikerrede anzuhören - weihnachtlich einzustimmen oder in einer zunehmend säkularen Gesellschaft vielmehr die Weihnachtspredigt zu ersetzen. Was inzwischen zum weihnachtlichen Fernsehalltag gehört, ist erstaunlicherweise jedoch nicht ganz so althergebracht wie man meinen könnte.

Inhaltlich und persönlich spielte Richard von Weizsäcker in seiner eigenen Klasse, aber sein Christbaum hatte 1985 Feuerholzcharakter

1969 sprach zu Weihnachten so z.B. nicht etwa der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann, sondern der frischgewählte Bundeskanzler Willy Brandt, der zum Friedensfest unter anderem erklärte, "dieses Deutschland soll eine Macht des Friedens werden. Damit wollen wir - ohne uns zu überheben, aber im vollen Ausmaß unserer Kräfte - Ernst machen". Sicherlich eine lobenswerte Aussage, aber wieso fiel sie zu Weihnachten und nicht etwa zu Neujahr? Nun, bis 1969 war tatsächlich noch der Bundeskanzler für die Weihnachtsansprache zuständig, während das Staatsoberhaupt erst eine Woche später ins neue Jahr überleitete.

Ein Jahr später wurde dann, auf Initiative des Bundespräsidialamtes, die Reihenfolge umgedreht: Der Kanzler sollte fortan das neue Jahr politisch einleiten, der Präsident - als tendenziell unpolitisches Staatsoberhaupt - das möglichst unpolitische Weihnachtsfest begleiten.

Rau

Der Klassiker mit Johannes Rau: Deutsche Bücherwand und ein trauriges Adventsgesteck

Im Ton haben sich die Weihnachtsansprachen, ob von Kanzlern oder Präsidenten, seit der ersten Ansprache 1949, die damals noch eine reine Radioveranstaltung war, übrigens noch bis vor zwei Jahren ziemlich verändert: Anders als der erste ewige Kanzler, Konrad Adenauer, der noch zu einem predigtnahen Ton neigte und 1953 mit den Worten begann, "im Advent flehen die Völker, dass die Himmel den Gerechten herabtauen lassen auf die Erde, dass die Wolken ihn herabregnen, und in der Weihnachtsliturgie heißt es, 'denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker'", gab es zumindest bis zu Christian Wulffs Ansprache vor zwei Jahren noch eine klar säkulare Tendenz.

2010

Außergewöhnliche Präsentation: Anstatt hinter einem Tisch oder Adventskranz versteckt, sprach Wulffs zum Weihnachtsfest 2010 vor großem Publikum

Wulff richtete sich damals gleich zu Beginn an alle Konfessionen (und Nicht-Konfessionen) - "an diesem Weihnachtsfest grüße ich Sie alle, die Gläubigen, die heute der Geburt Jesu Christi gedenken, und all diejenigen, die einen anderen Zugang zu diesem Fest haben" - und verlor in seiner folgenden Ansprache keine drei Worte über den eigentlichen Anlass seiner Ansprache. Anders verfuhr da schon sein Nachfolger, der stilistisch eher an Adenauer anknüpfte und klassisch christlich einstieg, um erst im zweiten Schritt bei den Nicht-Christen zu landen: "Es ist Weihnachten. Viele von uns lesen und hören in diesen Tagen die Weihnachtsgeschichte. In dieser Geschichte um das Kind in der Krippe begegnen uns Botschaften, die nicht nur religiöse, sondern alle Menschen ansprechen: 'Fürchtet Euch nicht!' und 'Friede auf Erden!'"

Köhler

Und auch Horst Köhler klassisch deutsch: Schreibtisch, Baum und ein nicht minder trauriges Adventsgesteck

Als langjähriger Pastor dürfte Gauck diesem Stil auch in diesem Jahr treu bleiben, und so wird es in zwei Wochen wohl wieder heißen: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, frohe Weihnachten".